Atomkraft führt zu Aktionärsaufstand bei RWE

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Die an dem deutschen Energiekonzern beteiligten Städte und Gemeinden verlangen einen Wechsel der Strategie, eine Abkehr von der Atomkraft. Dies bringt den größten CO2-Emittenten in der EU in eine Zwickmühle.

Wien/Jaz/Ag. Hauptversammlungen sind meist langatmige, mitunter auch richtiggehend langweilige Veranstaltungen. Die Vorstände berichten die ohnehin seit Wochen bekannten Geschäftszahlen, die Tagesordnungspunkte werden von der Mehrheit der Aktionäre abgenickt und Aufregung oder Handgemenge gibt es maximal beim Buffet für die Kleinaktionäre.

Anders verlief am gestrigen Mittwoch die Hauptversammlung des deutschen Energiekonzerns RWE. Schon vor Beginn mussten die Aktionäre durch ein Polizeispalier gehen, das die Exekutive zwischen demonstrierende Atomkraftgegner getrieben hatte.

Auch in der Essener Grugahalle ging es turbulent weiter. Mehrere AKW-Kritiker hatten sich in den Saal geschummelt und störten die Rede von RWE-Chef Jürgen Großmann mit Trillerpfeifen und Transparenten. Als Aktionäre sie daran hindern wollten, kam es zu kleineren Handgemengen, die erst durch die Sicherheitskräfte aufgelöst werden konnten.

Auch danach blieb die Stimmung bei der Hauptversammlung geladen. Die wichtigsten Gegner des unveränderten Pro-Atomkraft-Kurses von RWE demonstrierten nämlich nicht vor der Halle, sondern saßen dort in der ersten Reihe – als Vertreter der an RWE mit rund 25 Prozent beteiligten nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden. Diese hatten sich bereits Dienstagabend getroffen und eine gemeinsame Forderung nach einem möglichst raschen Ausstieg aus der Atomkraft vereinbart.

Großmann hält den Protesten entgegen, dass ein rascher Ausstieg aus der Atomkraft mit ihm nur schwer zu machen sei. Auch die Klage gegen das Atom-Moratorium der deutschen Bundesregierung will Großmann nicht zurückziehen, da für ihn die Rechtsgrundlage dafür „nicht tragfähig“ sei, so der RWE-Chef auf der Hauptversammlung.

76 Prozent des Stroms aus Kohle

Die Forderung der kommunalen Aktionäre, die zwar nur ein Viertel der Stimmen, traditionell aber 40 Prozent der Sitze im Aufsichtsrat haben, bringt RWE in eine Zwickmühle. Denn bislang galt die Atomkraft noch als die „saubere“ Energieform im Produktportfolio des Konzerns. Zu 56 Prozent wird der Strom bei RWE nämlich durch das Verbrennen von Kohle erzeugt, weitere 20 Prozent entfallen auf Gaskraftwerke. Der Stromriese ist deshalb der größte CO2-Emittent in der EU. Im Vorjahr stießen die RWE-Kraftwerke 164,9 Mio. Tonnen Kohlendioxid aus – mehr als das Doppelte der jährlichen CO2-Emissionen von Österreich.

CO2-Kosten steigen rasant an

Schon bisher sind die Kosten für die CO2-Zertifikate mit rund 750 Mio. Euro pro Jahr ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Derzeit erhält RWE aber noch mehr als zwei Drittel seiner benötigten Zertifikate kostenlos. Müssen, wie von der EU geplant, ab 2013 alle Zertifikate gekauft werden, würde das zusätzliche 1,7 Mrd. Euro kosten – fast die Hälfte des letztjährigen Nettogewinns von 3,6 Mrd. Euro. Bei einem Atomausstieg dürften diese Zahlen noch weiter steigen.

Großmann will daher für AKW in Deutschland kämpfen. Indirekte Unterstützung erhält er dabei von großen internationalen Fonds, die sich an der Macht der Kommunen im Konzern stoßen und zu viel politische Einmischung befürchten. Letztere wollen wiederum, dass sich RWE mehr auf Zukunftsfelder wie Effizienz und Erneuerbare konzentriert und beginnen daher am Stuhl von Großmann zu sägen.

Nicht gesägt wurde am Sessel von Wolfgang Schüssel, sein Aufsichtsratsmandat wurde bestätigt.

Auf einen Blick

Herbe Kritik. Die Führung des zweitgrößten deutschen Stromkonzerns RWE musste bei der Hauptversammlung herbe Kritik einstecken. Die zu 25 Prozent beteiligten Kommunen fordern eine Strategieänderung, weg von der Atomkraft. Das bringt RWE in eine Zwickmühle. Der Konzern setzte bisher auf die „saubere“ Atomkraft, um weniger Kohle verbrennen zu müssen.

Bestätigt wurde das Aufsichtsratsmandat von Wolfgang Schüssel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2011)

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