Alfredo Triviño: "Der größte Konkurrent ist die Zeit"

Alfredo Trivio groesste Konkurrent
Alfredo Trivio groesste Konkurrent(c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Alfredo Triviño, Kreativdirektor in Rupert Murdochs Medienkonzern, hat zuletzt die iPad-Zeitung "The Daily" mitentwickelt. Er ist am Montag Gast beim "Newspaper Congress" in Wien. Ein "Presse"-Interview.

Als Direktor für Kreativprojekte ist der Spanier Alfredo Triviño ganz vorne dabei, wenn die News Corporation von Rupert Murdoch über die Zukunft der Medien nachdenkt. Zuvor hat er mehrere Zeitungen erfolgreich um- und gestaltet („The Sunday Times“, „The London Paper“, „The Australian“). Zeitungsguru Mario Garcia meint: „Ich halte Triviño für den besten Zeitungsdesigner seiner Generation.“ In Wien spricht er heute, Montag, beim „European Newspaper Congress“ (bis 3. Mai in der Messe Wien) über Tablets.

Die Presse: Rupert Murdoch hat gesagt, das iPad werde die gesamte Medienwelt umwälzen.

Alfredo Triviño: Ja, denn Tablets können nicht nur Printprodukte ersetzen, sondern alle anderen bekannten Ausdrucksformen, Text, Bild und Ton, zusammenführen. Damit entsteht eine ganz neue Erfahrung, die das Verhalten der Konsumenten radikal ändert.

Klingt wie eine Zaubertüte.

Ist es auch. Das Tablet bietet umfassende Möglichkeiten und zugleich intimere und individualisierte Erfahrungen. Die größte Herausforderung ist es, die Änderungen im Verhalten zu verstehen und herauszufinden, wie die Inhalte für unsere Kunden relevant bleiben.

Bedeuten neue Geräte wie das Tablet, dass sich auch die Inhalte ändern?

Das müssen sie sogar. Denken Sie nur, dass heute pro Tag etwa 500 Millionen Videos auf YouTube abgespielt werden. Eine halbe Milliarde! Das traditionelle, einseitige Verhältnis zwischen Zeitung und Leser existiert längst nicht mehr. Heute ist es mehrdimensional, die Konsumenten sind aktive Mitgestalter.

Was bleibt dann vom Journalismus?

Nur Journalisten haben diese Angst. In Wahrheit wird ihre Autorität nicht gefährdet, sondern gestärkt. Wir brauchen gute Inhalte, kenntnisreiche Berichte und starke Marken. Der große Unterschied ist heute, dass ein rein eindimensionales Angebot für Konsumenten keinen Wert mehr hat. Heute erwarten sie Information und Unterhaltung in allen Dimensionen. Die schwierigsten Fragen für uns sind daher: Wie macht man die Beziehung mit den Konsumenten zu Geld? Wie gewinnt man Markentreue? Wie etabliert man eine Plattform, zu der die Kunden immer wieder zurückkommen?

Erfolgt die Konzentration auf neue Medien zulasten der traditionellen?

Ich glaube, dass diese Verschiebung ab einem gewissen Zeitpunkt unausweichlich ist. Wir brauchen neue Fähigkeiten und einen neuen Journalismus. So wichtig klassische redaktionelle Arbeit ist: Heute ist es noch wichtiger zu verstehen, welchen Inhalt in welcher Form und für welche Zielgruppe und über welche Plattform wir liefern müssen. Marken sind fundamental wichtig, und auch die Nachfrage nach Print besteht weiter.

Wie viel Geld investiert die News Corporation in neue Medien?

Das kommt darauf an. In „The Daily“ haben wir bisher 30 Mio. Dollar gesteckt. Unser Unternehmen ist entschlossen, die Zukunft der Medienindustrie zu entdecken und zu verstehen. Aber in Wahrheit stehen wir ganz am Anfang.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Internet-Paywalls für Ihre Zeitungen?

Wir haben immer gewusst, dass es hart wird. Das Modell muss ständig angepasst werden. Es gibt aber Appetit auf qualitativ hochwertigen Journalismus. Wir sehen heute Print und Web nicht mehr als zwei verschiedene Bereiche. Wir sind längst kein Print-Unternehmen mehr.

Den traditionellen Zeitungen setzen neben Online oft auch Gratisblätter zu.

Das Produkt Gratiszeitung hat sich enorm entwickelt, aber heute kann nur mehr überleben, wer Qualität bietet. Ich glaube, die meisten Blätter müssen erst eine loyale Leserschaft entwickeln. Die große Herausforderung steht ihnen erst bevor: In drei Jahren werden Tablets so billig sein, dass Gratiszeitungen schon heute nachdenken sollten, wie sie dann bestehen wollen.

Können wir mit den vielen Möglichkeiten der neuen und alten Medienwelt überhaupt fertig werden?

Das fragen wir uns auch. Es gibt sicher zu viel, und niemand kann alles überblicken und nutzen. Wir glauben, dass maßgeschneiderte Angebote die Zukunft sind: Weniger ist manchmal mehr. Unser größter Konkurrent sind nicht die Mitbewerber oder das Web, sondern es ist die Zeit. Wir kämpfen um die beschränkte Zeit der Konsumenten, die aus unzähligen Möglichkeiten wählen können. Eben weil es so viel gibt, ist Zeit die alles entscheidende Einheit geworden.

Zur Person

Alfredo Triviño ist Kreativdirektor in Rupert Murdochs Medienkonzern News International, der zur News Corporation gehört, dem drittgrößten Medienkonglomerat der Welt („The Times“, „The Sunday Times“, „Sun“). [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2011)

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