"Frankfurter Rundschau": Stellen sparen, aufs iPad hoffen

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44 Jobs muss die "Frankfurter Rundschau" streichen. Überregionale Teil wird gemeinsam mit der "Berliner Zeitung" produziert. "FR" wird Kompetenzzentrum für iPad und Online, sagt der Chefredakteur im Interview.

Endlich wieder eine gute Nachricht für die „Frankfurter Rundschau“: Das krisengebeutelte Blatt, in dem derzeit Stellenkürzungen und Streiks auf der Tagesordnung stehen, wurde beim European Newspaper Congress in Wien mit einem Spezialpreis der Jury für seinen Auftritt am iPad ausgezeichnet. Früh ist das Blatt auf diese mobile Erscheinungsform aufgesprungen. Man habe gesehen, dass die, die als Erste im Internet waren, auch heute noch die führenden Zeitungen im Onlinebereich sind, sagt „FR“-Chefredakteur, Rouven Schellenberger, im Gespräch mit der „Presse“. Diesen Vorteil wolle man sich am iPad sichern. Ab wann sich das wirtschaftlich rechnet, kann er nicht sagen.

Die Gesellschafter – allen voran der Verlag DuMont mit 50Prozent und einer Stimme, die SPD-Medienholding DDVG mit 40 und die Karl-Gerold-Stiftung mit zehn Prozent – rechnen damit, dass die Finanzierungsdauer „überschaubar“ ist. Viel wirtschaftlichen Spielraum hat die Zeitung nämlich nicht: 2009 schrieb die FR einen Verlust von 24,5 Millionen Euro, 2010 waren es 19 Millionen. Da nützte es auch nichts, dass die Angestellten auf ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichteten – die Anzeigenkrise konnte nicht kompensiert werden. Jetzt sollen Mitarbeiter gekündigt und teilweise in ausgegliederten Bereichen wieder eingestellt werden. 44 Stellen will das Unternehmen gänzlich streichen. Die Gespräche darüber mit Gewerkschaft und Betriebsrat laufen, sagt Schellenberger.

Das gesamte Gefüge der „Frankfurter Rundschau“ befindet sich im Umbau – das mit 130.000 verkauften Exemplaren für eine überregionale Zeitung eher schwachbrüstige Blatt muss einen Teil seiner Eigenständigkeit aufgeben. Während in Frankfurt 88 Redaktionsmitglieder ihren Job verlieren, entstehen in Berlin neue Arbeitsplätze. Dort soll künftig in einer gemeinsamen Redaktion der überregionale Mantel der „Frankfurter Rundschau“ und der ebenfalls zum DuMont Verlag gehörenden „Berliner Zeitung“ entstehen. Bereits seit einem Jahr gibt es einen gemeinsamen Autorenpool für die Ressorts Politik und Wirtschaft – künftig sind auch Kultur, Sport und Panorama von der Zentralisierung betroffen. Die Artikel schreibt dann für beide Zeitungen ein und derselbe Redakteur. Oft werden die Beiträge im überregionalen Mantel ident sein, allerdings bei unterschiedlicher Gewichtung, so Schellenberger: „Die ,Frankfurter Rundschau‘ legt großen Wert auf Umwelt, Atomfragen, Menschenrechte, die ,Berliner Zeitung‘ wird sich immer intensiver mit Ostthemen beschäftigen.“ Gleichzeitig soll die regionale und lokale Berichterstattung gestärkt werden. Und auch in Frankfurt entstehen neue Jobs in einer ausgelagerten, eigenen Gesellschaft: „Wir werden die iPad- und die Online-Ausgaben von ,Frankfurter Rundschau‘ und ,Berliner Zeitung‘ im Wesentlichen von Frankfurt aus steuern.“

Die „FR“ hat sich für DuMont zum Kompetenzzentrum in Sachen iPad gemausert, freut sich Schellenberger. Und: „Wir haben die Lehre aus dem Internetauftritt gezogen und wollten gleich eine Bezahlkultur fördern.“ Die iPad-Version der „FR“ kostet 79 Cent pro Ausgabe – etwa die Hälfte der Print-Ausgabe (deren Preis variiert). Auch Abonnenten der Print-Ausgabe müssen für die iPad-Version zahlen – wenn auch einen ermäßigten Preis. Dafür bekommt der Leser aber „nicht einfach nur eine Kopie der gedruckten Zeitung“, so Schellenberger, sondern eine extra editierte iPad-Version des Blattes mit eigener thematischer Gewichtung (bis hin zu anderen Titelgeschichten), mit integrierten Videos und interaktiven Grafiken, die erst am späteren Abend, zwischen 22 und 23 Uhr zum Download bereitgestellt werden, damit zum Beispiel auch aktuelle Sportergebnisse enthalten sind.

Aufs iPad kommt nur das „Best of“

„Wir haben uns für eine Best-of-Zeitung, nicht für die Vollabdeckung entschieden. Wenn wir die Zeitung machen, ist das iPad-Team den ganzen Tag dabei und entscheidet, welche Themen am iPad groß, welche klein und welche gar nicht erscheinen. Die entscheiden sich oft für einen anderen Titel als die Print-Ausgabe, weil wir am iPad weniger Themen abdecken, da kann man nicht drei, vier Tage lang hintereinander mit Libyen aufmachen.“ Entscheidend für die Gewichtung sei auch das Videomaterial oder die Möglichkeit für interaktive Grafiken.

So gut gemacht sie auch sein mögen – weder iPad- noch Online-Version werden die „Frankfurter Rundschau“ wirtschaftlich retten. Dort wie da ist ein Break-even nicht in Sicht. Die „FR“ lebt wie die anderen von den Einnahmen aus der Print-Ausgabe – und von den Kosteneinsparungen dort. Weitere Streiks nicht ausgeschlossen.

„Frankfurter Rundschau“

Rouven Schellenberger (Bild) ist gemeinsam mit Joachim Frank Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“. Die Zeitung hat eine verkaufte Auflage von knapp 130.000 Stück. 2009 erwirtschaftete die „FR“ einen Verlust von 24,5 Millionen Euro, 2010 ein Minus von 19 Millionen Euro. Nun sollen die Mantelredaktionen von „FR“ und „Berliner Zeitung“ zusammengelegt werden. Unterm Strich bleibt bei der „FR“ ein Personalabbau von 44 Stellen. [Teresa Zötl]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2011)

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