Bangen um den "Donau-Dino"

Bangen Donau
Bangen Donau(c) APA (DPA)
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Der Stör, dieser archaische Knochenfisch, hat die Dinosaurier überlebt. Nun ist auch er von der Ausrottung bedroht. Die Donauanrainer wollen ihn wieder heimisch machen.

Einst zählten die mächtigen Wanderfische zu den steten Gästen in Europas Flüssen. Meist aus dem Schwarzen oder Kaspischen Meer, aber auch aus Atlantik und Ostsee zogen meterlange Störe bis ins 19. Jahrhundert jedes Frühjahr zum Ablaichen durch die Süßwasserfluten des Kontinents.

Meist sind sie um die zwei Meter lang, doch die Giganten der weltweit ca. 30 Störsorten, wie der früher in der Donau oft gesichtete Hausen (Huso Huso), haben Längen von fünf bis sechs Metern und ein Gewicht von mehr als 1000 Kilogramm – es wird gar von acht bis neun Meter langen Tieren berichtet, wobei unklar ist, wie viel Anglerlatein dahintersteht. Jedenfalls gilt als anerkannter Rekord jener Stör, der 1827 aus der Mündung der Wolga gezogen wurde und bei 7,2 Meter Länge 1476 Kilogramm wog.

Verlegte Wanderwege

Selbst die Dinosaurier hat der mit Knochenschildern gepanzerte und einem Knochenskelett verstärkte Urfisch, der in mittelalterlichen Schriften als recht unheimliches Tier abgebildet ist (kl. Bild), überlebt. Natürliche Feinde hat der imposante Tiefengründler bis heute nicht. Nur der Mensch ist es, der den Bestand des über 250 Millionen Jahre alten Fossils bedroht.

Der Stör hat sich seinetwegen in Europas Flüssen rar gemacht. Nicht nur Wasserverschmutzung und Verbreiterung der Schifffahrtswege auf Kosten von Kiesbänken, sondern auch Stau- und Kraftwerke verwehren den haifischähnlichen Einzelgängern mit der verknöcherten Schnauze und den auffälligen „Barthaaren“ längst die vertrauten Wege zu seinen alten Laichplätzen. Der Flussaufwärtsdrang der gewaltigen Beluga-Störe aus dem Schwarzen Meer etwa stößt im Unterlauf der Donau seit den 1970ern spätestens an den Staudämmen am Eisernen Tor zwischen Rumänien und Serbien auf eine unüberwindliche Hürde.

Zwar werden in Seitenflüssen manchmal noch einzelne Störe mit bis zu zwei Meter Länge gesichtet. Doch die sind laut Georg Rast, Donauexperte beim WWF Deutschland, absolute Ausnahmen: „Entweder sind das Störe, die älter sind als die Staudämme. Oder sie kamen zufällig durch die Schleusen in die mittlere Donau. Oder wurden irgendwann ausgesetzt.“ Überlegungen für eine „Störtreppe“ am Eisernen Tor steckten in den Kinderschuhen: „Es gibt noch keine Machbarkeitsstudie.“

Noch mehr macht den Flussgiganten, die über hundert Jahre alt werden können, der Hunger der Gourmets nach ihrem Rogen zu schaffen: Die steigende Nachfrage nach Kaviar, aber auch dem köstlichen, sehr festen Fleisch des Störs hat nicht nur in den Meeren, sondern auch in Flüssen den Bestand des archaischen Fischs aus der Urzeit gefährlich schrumpfen lassen.

Die Plage der Kaviarhäscher

Nur der auch in Teichen zu züchtende Ministör „Sterlet“ ist als reiner Süßwasserfisch auch im Oberlauf der Donau in Bayern und Österreich trotz starken Rückgangs noch recht oft zu finden. Im Unterlauf suchen mächtige Belugas und Hausen im Frühjahr zwar immer seltener, aber doch ihre Laichplätze auf. Doch sehen sie sich dort den verstärkten Nachstellungen der Kaviarhäscher ausgesetzt.

Zwar hat Rumänien als wichtigster Anrainer am Donauunterlauf bereits 2006 ein zehnjähriges Fangmoratorium verabschiedet. Doch da die besten Laichplätze der Störe meist am bulgarischen Südufer sind, blieb die Schutzmaßnahme so gut wie wirkungslos. Im Donaudelta ist der Fossilfisch in ukrainischen und moldawischen Gewässern zwar weiter Nachstellungen ausgesetzt – doch Donauschützer Rast ist froh, dass Bulgarien nun endlich ein vorläufig auf ein Jahr befristetes Fangmoratorium für Störe erlassen hat: „Und wir werden alles tun, dass es im nächsten Jahr auf mindestens fünf Jahre verlängert wird.“

Zur Stärkung der schwindenden Störpopulation in der Donau hat Sofia gleichzeitig die Aussetzung von Jungtieren und eine Informationskampagne bei Fischern angekündigt: Denn auch deren Einkommen ist beim Aussterben der Störe gefährdet.

Eigentlich weiß man wenig

Wichtig sei vor allem verstärkte Kontrolle des illegalen Handels mit Kaviar, selbst auf lokalen Märkten, so Rast. Mit der verstärkten Markierung von Stören im Unterlauf erhofft er sich auch eine Verbesserung des Wissens über die Wanderbewegungen des wunderlichen Donau-Dinos: „Der Stör ist der älteste und größte Flussfisch in Europa. Aber eigentlich wissen wir über ihn noch immer sehr wenig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2011)

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