Recht auf Kind: Richter eilen zu Hilfe

Schadenersatz. Ein Vater, der seinen Sohn nie sieht, kann nach einem Urteil auf Schmerzengeld hoffen. Die Frauenministerin fordert nun umgekehrt Strafen für besuchsunwillige Väter.

Wien. Es ist ein Urteil, das die politische Debatte um Reformen im Familienrecht weiter anheizt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) gewährt in einer Grundsatzentscheidung Vätern Schadenersatz, wenn die Mutter den Zugang zum Kind grundlos unterbindet. ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl kündigte an, sich das Urteil anschauen zu wollen und zu prüfen, ob man das Gesetz adaptieren solle. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek wiederum denkt nun auch an Strafen für Männer, wenn diese ihr Besuchsrecht nicht wahrnehmen. Entsprechende Sanktionen seien überlegenswert, so Heinisch-Hosek.

Wenn man das Urteil genau betrachtet, kann daraus freilich kein genereller Schadenersatzanspruch für Eltern abgeleitet werden, die ihr Kind nicht sehen. Das Besondere am aktuellen Fall waren nämlich die Krankheitssymptome, die der Vater aufwies: Schwere Schlafstörungen, Alpträume und depressive Verstimmungen resultierten aus dem fehlenden Kontakt zum Sohn. Und für diese Leiden könne es Schadenersatz geben, wenn sie aus dem fehlenden Kontakt zum Kind resultieren, meinen die Höchstrichter. Es ist das erste Mal, dass sie dies in einem derartigen Fall feststellen.

Kontakt zu Kind geschützt

Schmerzengeld für psychische Probleme ist an sich nichts Neues. Dieses gibt es etwa, wenn man nach dem Unfalltod eines Familienangehörigen leiden muss. Allerdings hatte es der OGH in der Vergangenheit abgelehnt, „Schmerzengeld für verlorene Liebe“ zuzusprechen, wenn ein Ehepartner den anderen betrogen hat. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern sei aber ein anderes, meinen die Richter in der aktuellen Entscheidung. Denn während sich ein Ehepartner scheiden lassen könne, sei der Kontakt zwischen Eltern und Kindern stets auf Dauer ausgelegt und rechtlich geschützt. Die Höchstrichter (4 Ob 8/11x) hoben somit die Urteile der Vorinstanzen auf. Diese waren noch der Meinung gewesen, dass man wegen fehlenden Kontakts zum Kind nie Schmerzengeld erhalten dürfe. Die Unterinstanzen müssen nun aber noch klären, ob die Vorwürfe des Mannes stimmen. Dieser hält der Mutter vor, sie habe das Kind derart beeinflusst, dass dieses den Vater nie mehr sehen will. Trifft dies tatsächlich zu, muss die Mutter Schmerzengeld an den psychisch angeschlagenen Vater zahlen. Das Kind ist inzwischen 15 Jahre alt, der Vater hat es seit knapp vier Jahren nicht gesehen.

Aus dem Gesetz gehe hervor, dass man gegenüber dem Kind nicht den anderen Elternteil heruntermachen darf, erklärt Michael Stormann, Leiter der Familienrechtsabteilung im Justizministerium. Durch das aktuelle Urteil aber werde nun erstmals festgestellt, welch „drastisch schadenersatzrechtliche Folge“ das Fehlverhalten von Eltern haben kann.

Über das Urteil können die Ministerinnen Karl und Heinisch-Hosek schon bald beraten. Eine Runde zum Familienrecht, in der es vor allem um Reformen im Sorgerecht geht, steht an. Österreich muss nach einem Urteil des Europäischen Menschengerichtshofs das Gesetz reformieren, weil uneheliche Väter stark benachteiligt sind.
„Watschen“ für Familienrecht S. 15

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Regieren statt reagieren

Die Politik soll wichtige Alltagsprobleme selbst lösen. Und nicht so lange warten, bis Gerichte Lösungen finden.
Recht allgemein

Abfuhr für ledigen Vater

VfGH. Mann scheitert im Kampf um Anteil an Obsorge.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.