Tu Gutes, aber tu es wie ein Manager

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seite an Seite mit Steve Jobs führte der Österreicher Charly Kleissner 20 Jahre lang die technologische Revolution im Silicon Valley an - und verdiente dabei ein Vermögen.

Nein, ideal hat dieser Tag für Charly Kleissner nicht gerade begonnen. Zehn Minuten Meditation am Morgen sind dem 54-Jährigen mittlerweile einfach zu wenig. Vor wenigen Jahren hätte sich der Computerexperte selbst diesen Luxus nicht leisten können. Denn der gebürtige Innsbrucker trieb 20Jahre lang die technologische Revolution im amerikanischen Silicon Valley voran. Das Betriebssystem, das er Mitte der Neunzigerjahre für Apple-Gründer Steve Jobs entwickelt hat, steckt im Grunde heute noch in jedem iPhone. Ein Wochenende im Monat, eine Woche im Quartal waren für die Familie reserviert. Den Rest seiner Zeit forderte die Karriere. Bis 1999 seine damalige Firma Ariba an die Börse ging. Wenig später verkaufte Kleissner seine Anteile und hatte kurz nach der Jahrtausendwende plötzlich mehr Geld, als er brauchen konnte – und keine Lust mehr, einfach so weiterzumachen wie bisher.

Zusammen mit seiner Frau Lisa ging er nach Indien, praktizierte Yoga, meditierte, nahm sich Zeit, über alles nachzudenken. Bald war dem Ehepaar klar: Ein Drittel ihres Vermögens reicht fürs Leben. „Seitdem arbeiten wir daran, den Kapitalismus zu restrukturieren“, sagt Charly – Karl nennt ihn selbst in Tirol kaum noch jemand – Kleissner. Er findet es „erstaunlich, dass selbst intelligente Menschen nicht verstehen, dass ein System, das vor 150 Jahren für 1,1Milliarden Menschen erfunden wurde, für eine Welt von sieben Milliarden adaptiert werden muss“. Firmen müssten nicht nur an Gewinnen, sondern auch an ihren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft gemessen werden.


Profit ist nötig. Charly und Lisa Kleissner tun genau das. Mit ihrer KL Felicitas Foundation investieren sie 70 Prozent ihres Vermögens in Firmen, die „Gutes“ tun – und dabei Geld abwerfen. Denn mit klassischer Philanthropie haben die beiden „Impact-Investoren“ wenig am Hut. Um mehr Menschen von dieser Art der Geldanlage zu überzeugen, müssten Firmen eben Gewinn abwerfen, ist Charly Kleissner überzeugt.

„In diesem Punkt unterscheiden wir uns von Muhammad Yunus.“ Der Friedens-Nobelpreisträger und Vorkämpfer für Mikrokredite fordert, dass Impact-Investoren auch ohne Gewinn glücklich sein müssten. Die meisten Reichen wollen aber gern reich bleiben, glaubt Kleissner. Der Tiroler weiß, welche Zahlen er zücken muss, um ihr Interesse zu wecken. Zehn Prozent hätten seine „guten Investments“ im Vorjahr abgeworfen. Selbst in der Krise machten die Kleissners konstante Gewinne.

Kein Einzelfall, wie eine Studie vom Investmenthaus JP Morgan und der Rockefeller Foundation aus 2010 unterlegt. Sie schätzt, dass der Markt für Impact-Investments in der kommenden Dekade auf bis zu 1000Milliarden Dollar anwachsen wird. Die geschätzten Profite würden dann zwischen 180 und 600Milliarden Dollar liegen.

Profite, die etwa Unternehmen wie eHealth Services einspielen sollen. Das Start-up versorgt die indische Landbevölkerung mit sauberem Wasser, Medikamenten und ärztlicher Betreuung aus der Ferne via Breitbandinternet. Mit fünf bis zehn Prozent ihres Geldes unterstützen die Kleissners die Ideen sozialer Unternehmer direkt. Der Rest landet in Fonds, die ihrerseits etwa in Social-Impact-Bonds investieren.

Diese Anleihen sind ein absolutes Novum. Sie knüpfen den Gewinn der Investoren erstmals direkt an ein gesellschaftliches Ziels. Wenn es die über die Anleihe finanzierten Firmen schaffen, dass ein Fünftel weniger britische Kriminelle erneut im Gefängnis landen, bekommen die Geldgeber 13Prozent Rendite.

Es sind Ideen wie diese, die Charly Kleissner begeistern. Hektisch wechselt er vom Tirolerischen ins Englische und wieder zurück, wenn er sich ausmalt, wie viele Menschen er so für die etwas andere Art des Investierens gewinnen wird. Potenzielle Kundschaft gibt es genug: Weltweit suchen 80Billionen Dollar an privatem Vermögen nach Veranlagung. Derzeit zählt sein Ende 2010 gegründetes Netzwerk Toniic 26Mitglieder. Mindestens 25.000Dollar muss jeder von ihnen bereitstellen, mindestens zwei soziale Unternehmer im Jahr finanzieren. Klassische Philanthropie sei eben einfach „nicht das beste Modell, um Gutes zu tun“, sagt der Tiroler.

Langfristig wirken würden Projekte erst, wenn auch lokales Geld und Engagement dabei sei. „Spenden führen oft zu Abhängigkeiten und Bürokratie und drängen soziale Firmen aus dem Markt.“ Wenn etwa große Hilfsorganisationen beginnen, Moskitonetze gratis zu verteilen, ist jede Firma, die dafür zwei Dollar verlangt, aus dem Rennen.


Wie viel ist ein Baum wert? Das globale Epizentrum der Impact-Investoren liegt im Silicon Valley. Nirgendwo in den USA gibt es mehr Millionäre als in Kalifornien. Die meisten von ihnen haben ihr Vermögen durch den Technologieboom verdient. Nun verlegen sich immer mehr auf das soziale Unternehmertum. Allen voran die eBay-Gründer Jeff Skoll und Pierre Omidyar. Erfunden haben die Kalifornier die soziale Geldanlage aber nicht. „Wirklich neu ist der unternehmerische Zugang, den die Techpioniere bringen“, sagt Kleissner.

Einfach wird der angestrebte evolutionäre Wandel des Kapitalmarkts freilich nicht. Noch sind viele Fragen ungeklärt: Wie misst man etwa, wie viel „Gutes“ eine Firma getan hat? Wie hoch beziffert man den Wert eines Baumes? Ganz ohne regulatorischen Eingriff werde es ohnedies nicht gehen, fürchten die Impact-Investoren. Denn solange Umwelt und Gesellschaft quasi zum Nulltarif zerstört werden dürfen, werfen auch „schlechte“ Investments kurzfristig immer hohe Gewinne ab.

Zeitdruck kennt Kleissner bei seiner neuen Mission dennoch nicht. Er weiß, dass es dauern wird, bis Banken und Versicherungen soziale Investments für sich entdecken. Alles beginne ähnlich, wie bei der ersten Revolution, die er an vorderster Front miterleben durfte: „Innovationen bringen die ,old guys‘ nie. Die laufen erst nach, wenn die Jungen gezeigt haben, wie es geht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2011)

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