Im Festspiel-Reigen kommt es auf die Auswahl an

Das Publikum kann heutzutage Klassik und Neue Musik völlig entspannt genießen – vor allem, seit auch die Komponisten entspannt sind.

Zwischentöne

Ein (vorsaisonaler) Blick in den Süden? Dass das Kärntner Musikleben an Attraktionen auf dem klassischen Konzertsektor reich sei, wird niemand zu behaupten wagen. Umso wichtiger für die Region, dass sich Festspiel-Veranstalter finden, die sich bemühen, programmatische Akzente zu setzen, die weit über den Kleine-Nachtmusik-Berieselungsfaktor hinaus Perspektiven bieten.

Vom diesbezüglich maßstabsetzenden Carinthischen Sommer einmal abgesehen, konnte sich noch das eine oder andere Festival etablieren und für Aufmerksamkeit sorgen.

Jüngst begab sich, man glaubt es kaum, im Rahmen des zehnten Wörthersee-Classics-Festivals zum Beispiel die „Kärntner Erstaufführung“ von Gustav Mahlers Dritter Symphonie! David Danzmayr und das Philharmonische Orchester aus Györ machten sich mit den auf der Galerie des Klagenfurter Konzerthauses postierten Sängern aus Slowenien und der Solistin Gabriele Sima ans formensprengende Werk.

Der Jahresregent Mahler kam aber auch noch im Rahmen des Klavierabends von Martyn van den Hoek zu Ehren: Der Pianist selbst, ein exzellenter Virtuose, hat eine fragil-transparente Bearbeitung der „Lieder eines fahrenden Gesellen“ arrangiert und im Verein mit Musik des anderen Jahresregenten, Franz Liszt, subtil und so recht singend aus dem Bösendorfer modelliert.

Eine weitere Entdeckung also für das Kärntner Publikum, das anderntags noch mit selten gespielter Musik der Brahms-Ära und Zeitgenössischem konfrontiert wurde. Die Festival-Chefs Elena Denisova und Alexei Kornienko musizierten – wie jüngst im Wiener Musikverein – mit dem Kammerensemble der Wiener Symphoniker, dem „Concert-Verein“. Feinsinnige Serenadentöne des großen Musikerausbildners Robert Fuchs (inklusive einer exquisit-duftigen „Fledermaus-Paraphrase“), aber auch von einem der prominenten Schüler dieses begnadeten Pädagogen: Neben Mahler, Franz Schmidt, Schreker, Sibelius, Hugo Wolf oder Operettenmeistern wie Heuberger, Fall und Eysler drückte nämlich auch Alexander Zemlinsky bei Fuchs die Schulbank.

Seine „Serenade op. 2“ hat Franz Hummel leuchtkräftig orchestriert – und damit aus einem nachbrahmsischen Mauerblümchendasein gehörig ans Licht befördert.

Gestaunt hat das Publikum in Klagenfurt allerdings auch über die Konzertante Fantasie, die Wolfram Wagner für Elena Denisova komponiert hat. Es gibt Zeitgenossen, die sich wirklich nicht mehr um etwelche Doktrinen, Schulen oder Ismen scheren, sondern ungeniert alle zu Gebote stehenden Mittel verwenden, um einfach zündende Musik zu schreiben. Solang ihnen die Inspiration nicht ausgeht, haben wir noch eine musikalische Zukunft, scheint's.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2011)

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