Netanjahus Heimspiel im US-Kongress

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Israels Premier hielt eine als „historisch“ angekündigte Rede vor den beiden Parlamentskammern in Washington. Nach dem offenkundigen Zwist mit Barack Obama durfte er hier mit Wohlwollen rechnen.

Für Benjamin Netanjahu war es bereits das zweite Heimspiel in zwei Tagen – und das im Ausland: Als Israels Premier am Dienstag im US-Kongress zu Washington ans Rednerpult trat, um vor den versammelten Abgeordneten und Senatoren seine mit Spannung erwartete, als „historisch“ angekündigte Nahost-Rede zu halten, konnte er sich einer wohlwollenden Zuhörerschaft sicher sein. Tags zuvor hatte er quasi zum Aufwärmen vor der AIPAC gesprochen, der größten pro-israelischen Lobby-Organisation in den Vereinigten Staaten.

Im Kongress hat Netanjahu etwas, was US-Präsident Barack Obama nicht hat: eine verlässliche Mehrheit in beiden Häusern. An der bedingungslosen Unterstützung Israels und seiner Regierungen durch die Republikaner, die das Repräsentantenhaus dominieren, gibt es ohnehin keinen Zweifel, und auch viele Demokraten – sie stellen im Senat die Mehrheit – weiß Israels Premier hinter sich. Dass auch demokratische Senatoren in der Vergangenheit die um Ausgleich bemühte Nahost-Politik von Präsident Barack Obama kritisiert hatten, ist Wasser auf die Mühlen Netanjahus. Netanjahus Rede wurde gezählte 25 mal von stürmischem Beifall unterbrochen.

„Offensichtliche Differenzen“

Netanjahus Verhältnis zu Obama ist mit „frostig“ noch freundlich beschrieben. Politisch trennen die beiden Staatsmänner Welten, und auch persönlich können sie nicht miteinander, dies wurde bei dem gemeinsamen Presse-Statement nach ihrem Treffen Ende vergangener Woche einmal mehr deutlich. Seit Obama – gerade einmal ein paar Monate im Amt – im Mai 2009 von Netanjahu einen Siedlungsstopp in den Palästinensergebieten forderte und sich damit an Israels Premier die Zähne ausgebissen hat, sind die Beziehungen zwischen Weißem Haus und Jerusalem ziemlich belastet.

Wie belastet, das zeigte sich an Choreografie und Tonfall der gegenwärtigen US-Reise, die geradezu zum Schlagabtausch wurde. Der erste Punkt ging an Obama: Noch bevor Netanjahu in Tel Aviv das Flugzeug bestieg, hielt der US-Präsident eine Grundsatzrede zum Thema Nahost. Darin sagte er unter anderem, dass eine Friedenslösung mit den Palästinensern auf der Waffenstillstandslinie von 1967 – also vor den Besetzungen des Sechstagekriegs – beruhen müsse, mit Landtausch an einigen Stellen.

Dass dies einmal der Eckpunkt eines Friedens sein wird, ist zwar seit Langem klar, doch Netanjahu betonte bei seiner Rede, dass daran nicht zu denken ist. Zuvor hatte Jerusalem via Hillary Clinton vergeblich gedrängt, dass die 1967er-Grenzen-Passage aus der Obama-Rede gestrichen wird. Diese Grenzen seien nicht zu verteidigen. Entnervt hatte Obama schon vorab gemeint, wenn Netanjahu dies als Grundlage ablehne, solle er doch selbst mit eigenen Vorschlägen kommen. Zuerst ließ Netanjahu tatsächlich aufhorchen: „Ich bin bereit für schmerzhafte Kompromisse, um diesen historischen Friedensvertrag zu erreichen.“

Palästinenser enttäuscht

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Doch der israelische Premier ist nicht unbedingt für überschäumende Kompromissfreudigkeit bekannt und keiner seiner Vorschläge war neu: Ein zukünftiger Palästinenserstaat soll demilitarisiert werden, zudem müssten die Palästinenser eine dauerhafte israelische Militärpräsenz im Jordantal akzeptieren. Auch was den Status von Jerusalem betrifft, machte Netanjahu den Palästinensern wenig Hoffnung auf ein Entgegenkommen. Jerusalem müsse Israels unteilbare Hauptstadt bleiben und die palästinensische Flüchtlingsfrage außerhalb der
Grenzen Israels gelöst werden.  Dass seine palästinensischen Partner damit keine Freude haben würden, sei ihm klar.

So war es dann auch: Die Palästinenser-Regierung von Präsident Mahmud Abbas zeigte sich enttäuscht. Die Vorschläge würden nicht zu einem Frieden führen.

Immerhin: Netanjahu wünschte dem Palästinenser-Premier Salam Fayyad, der mit Herzinfarkt-Verdacht ins Krankenhaus eingeliefert worden war, gute Besserung. An die Fatah, der Fayyad nahesteht, richtete Netanjahu den Appell: „Zerreißen Sie Ihren Pakt mit Hamas, setzen Sie sich an den Verhandlungstisch und schließen Sie Frieden mit dem jüdischen Staat. [...] Und wenn Sie dies tun, dann verspreche ich Ihnen: Israel wird nicht der letzte, sondern der erste Staat sein, der einen Palästinenserstaat als neues Mitglied der Vereinten Nationen begrüßt.“

Schon einmal, 2009 hat Netanjahu eine Grundsatzrede gehalten, damals vor israelischem Publikum. Das einzige „Historische“ daran war gewesen, dass der israelische Premier erstmals – allerdings nur grundsätzlich und mit Vorbehalten – der Gründung eines Palästinenserstaates zugestimmt hatte. So weit waren frühere Regierungschef schon lange. Seine jetzige – ebenso „historische“ – Rede enthielt – wie damals – wenig neues.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25. Mai 2011)

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