„Historisch“ à la Netanjahu

Diesmal war es Israels Premier, der eine große Chance verpasst hat.

Vielleicht hätte Benjamin Netanjahu statt Architektur doch besser Völkerrecht studieren sollen: Israel werde „großzügig“ sein, was den Umfang eines künftigen Palästinenserstaates angehe, sagte der Premier bei seiner Rede im US-Kongress. Worum es bei einer Friedenslösung mit den Palästinensern geht, ist schlicht die Rückgabe besetzten Landes, das hat nichts, aber auch gar nichts mit Großzügigkeit zu tun. Über Netanjahus Koordinatensystem sagt der Satz freilich viel aus, ebenso wie die Aussage, die jüdischen Siedler im Westjordanland seien keine Besatzer.

Es war der Tiefpunkt einer Rede, die man im besten Fall als enttäuschend bezeichnen kann und die eigentlich nur eine Frage offenlässt: Was hat Netanjahus Berater geritten, sie als „historisch“ anzukündigen? Es mag ja ein großer Schritt für Netanjahu sein, dass er mittlerweile das Wort Palästinenserstaat herausbringt. Doch für Israel ist sein angebliches Angebot vom Dienstag nicht einmal ein kleiner, sondern ein Rückschritt, nicht nur angesichts dessen, was Ehud Barak, einer seiner Vorgänger, 2000 in Camp David auf den Tisch gelegt hat.

Damals war noch der oft bemühte Spruch zu hören, die Palästinenser verpassten nie eine Gelegenheit, eine Gelegenheit zu verpassen. Nun ist es Netanjahu, der eine Chance verpasst hat. Rund um Israel bleibt kein Stein auf dem anderen, ein Friedensschluss mit den Palästinensern war nie drängender. Doch für die Architektur eines Nahostfriedens, der ja zuallererst Israel nützen würde, fehlt Netanjahu ganz offensichtlich die Vision.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Nahost: Abbas zeigt sich enttäuscht

Palästinenserpräsident Abbas kritisiert die Rede von Israels Premier Netanjahu vor dem US-Kongress. Er habe für den Frieden nichts Konkretes angeboten. Netanjahus Beharrlichkeit verärgert auch US-Präsident Obama.
Außenpolitik

Netanjahus Heimspiel im US-Kongress

Israels Premier hielt eine als „historisch“ angekündigte Rede vor den beiden Parlamentskammern in Washington. Nach dem offenkundigen Zwist mit Barack Obama durfte er hier mit Wohlwollen rechnen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.