Wir haben uns Straches Erfolg redlich verdient

Die Regierungsparteien haben seit Jörg Haiders Siegeszug nichts gelernt. Sie finanzieren mit Medien-Bestechung ein Ausbildungscamp für Strache-Wähler.

Die Frage, die derzeit den politmedialen Komplex in diesem Land umtreibt, wird teils bewundernd, überwiegend bang und zunehmend fassungslos gestellt:

Wie macht das der Strache?

Die FPÖ, die nach der freiheitlichen Kernspaltung in Orangen und Kornblumen vor weniger als einem Jahrzehnt am Ende schien, wird gerade zur stärksten Partei Österreichs.

Nun, er macht gar nichts.

Der Meinungsumfragen-Siegeszug der Freiheitlichen ist ausschließlich auf die (Nicht-)Arbeit der Großen Koalition zurückzuführen. Das war schon vor 20 Jahren so: Als Jörg Haider die FPÖ 1986 bei fünf Prozent übernommen hatte, trieb er die damals auf Ewigkeit gebildete Große Koalition („ohne Wenn und Aber“) von Wahlniederlage zu Wahlniederlage. Er konnte darauf zählen, dass immer mehr Menschen den Institutionenfilz in diesem Land satt hatten. Die Kombination aus sozialpartnerschaftlicher Ständestaatsstruktur und Großer Koalition hatte die Politik zum Paralleluniversum gemacht, in dem sich Privilegierte, die den Staat für ihr Privateigentum hielten, Posten und Aufträge zuschanzten.

Es brauchte damals einen Hochbegabten wie Haider, um dieses System zu erschüttern: Die Regierenden verfügten noch über ein überdurchschnittliches Maß an Bildung, und sie wurden durch „kritische Intellektuelle“ unterstützt, die sie durch Zuneigung und Zuwendungen dazu bringen konnten, gegen den weltgeschichtlichen Trend nicht den Mächtigen gegenüber kritisch zu sein, sondern die Opposition mit der Nazi-Keule niederzuprügeln.

Heute reicht ein glaubwürdig vom Neonazi zum Discoking gereifter Worthülsenfrüchtler wie Heinz-Christian Strache, um die sogenannte Regierung in Schach zu halten. Die „kritischen Intellektuellen“, die der amtierende Bundeskanzler, ein vertrauenswürdiger Anwalt der Bildungsfernen, „sogenannte Intellektuelle“ nennt, kümmern sich um Kindererziehung und Rotweinkultur. Vielleicht spricht sich vor der nächsten Wahl bis in die makrobiotischen Haubenküchen des Karmelitermarktes herum, dass der nächste Bundeskanzler Strache heißen wird. Lichtermeere wird es aber auch dann eher nicht geben. Die paar Künstler und Intellektuellen, die sich trotz des strengen geistfeindlichen Geruchs der Regierungsdarsteller noch mit Politik beschäftigen, haben nämlich etwas Entscheidendes verstanden: Einen Bundeskanzler Strache verhindert man nicht, indem man ihn und seine Partei als Nazis denunziert. Sondern, indem man den Sumpf trockenlegt, in dem seine exotischen Stil- und Gedankenblüten so prachtvoll gedeihen.

Auch daran hat sich seit 20 Jahren nichts geändert: Die große Mehrheit der Menschen, die damals Haider und heute Strache wählen, tut das nicht, weil sie für irgendetwas ist, das Strache sagt oder tut. Sie tut es, weil es die einzige ihr zugängliche Möglichkeit ist, den Altparteien und den Bewohnern des sozialpartnerschaftlichen Wolkenkuckucksheims zu sagen: Wir wollen das alles nicht mehr.


Die beiden Regierungsparteien haben aus den Erfahrungen mit Jörg Haider nicht nur nichts gelernt. Sie haben seinem Wiedergänger Heinz-Christian Strache auch noch den roten Teppich ausgerollt, auf dem er ins Kanzleramt spazieren kann. Der Versuch des Systems Faymann, sich durch die Bestechung des Boulevards die Macht zu sichern, geht voll nach hinten los. Das Verdummungsprogramm, das „Krone“, „Heute“ und „Österreich“ mit dem Geld der Regierung und der Stadt Wien veranstalten, ist eine Art Ausbildungscamp für Strache-Wähler.

Das wenige, das Strache selbst zu seinem Erfolg beitragen kann, tut er: Das neue Programm ist ein unspektakuläres, für Skandalisierungen keinen Anhaltspunkt lieferndes Kundenbindungsprogramm für das traditionelle deutschnationale Lager, angereichert um ein paar Lockangebote für von der Allerwelts-ÖVP enttäuschte Konservative.

Die Qualität der amtierenden Regierung und die Fähigkeit, Ressentiments aller Art blitzartig zu mobilisieren, machen Heinz-Christian Strache derzeit unschlagbar. Ein Erfolg, den wir uns alle redlich verdient haben.

E-Mails an: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2011)

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