Und es kommt doch auf die Größe an

Schweiz und Schweden haben die Zahl ihrer Gemeinden längst reduziert. Was hat es gebracht?

Griechenland, so tönt es von allen Seiten, sei zu keinen Reformen fähig. In zumindest einem Punkt aber sind die elf Millionen Hellenen den Österreichern weit voraus: Sie kommen mit nur mehr 325 Gemeinden aus – das macht mehr als 30.000 Einwohner pro Ortschaft. Die fünf Millionen Schotten verteilen sich gar in nur 32 Gemeinden über ihr raues Hochland. Und in Schweden wurde die Zahl der Kommunen von über 1000 auf 290 gedrückt.

Ein Vorbild für Österreich? Die skandinavischen Länder können als Vergleich schwer herhalten, weil sie keine Landesregierungen haben. In der Struktur ähnlicher ist der Nachbar Schweiz mit seinen Kantonen. Auch in der kleineren Alpenrepublik klammern sich Dörfer an steile Felsen, deren Bürger und ihre Meister aber nicht an die kommunale Eigenständigkeit. Seit den 1990er-Jahren wurden – per Volksentscheid – zahlreiche Gemeinden fusioniert.

Gleiche Kosten, mehr Leistung. Die Kosten sind durch die Fusionierungen statistisch betrachtet kaum gesunken. Das ist Wasser auf die Mühlen des Österreichischen Gemeindebundes. Dessen Präsident Helmut Mödlhammer ist strikt gegen erzwungene Zusammenlegungen. Aber auch eine „Liebesheirat“ von Nachbargemeinden macht er seiner Klientel mit dem Schweiz-Vergleich kaum schmackhaft.Zu Unrecht, findet Peter Biwald, Leiter des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ): „Die Studien zu den Schweizer Fusionen zeigen sehr wohl, dass Mittel lukriert wurden – im Umfang von bis zu zehn Prozent.“

Wie passt das mit den Daten zusammen? „Die Schweizer stehen finanziell besser da als wir.“ Die Zusammmenlegungen seien nicht aus der Schuldennot heraus entstanden und hatten deshalb in den meisten Fällen gar nicht das Ziel, Geld einzusparen. Stattdessen wurden die erwirtschafteten Spielräume für einen höheren Standard der Leistungen eingesetzt. Ein Beispiel: Wo früher auf öffentlichen Flächen nur immergrünes Gesträuch wucherte, werden jetzt dreimal im Jahr bunte Saisonblumen gepflanzt. „In der Praxis ist das dann ein Nullsummenspiel.“ Den wenigen Gemeinden, die Kosten reduzieren wollten, sei das wie geplant gelungen.

Auf die sanfte Tour. Der Kampf um niedrigere Schulden muss aber gar nicht zur politischen Selbstaufgabe führen. Auch Kooperationen, bei denen die viel beschworene Identität erhalten bleibt, können das gewünschte Ergebnis erzielen. Schleswig-Holstein hat es vorgemacht: Im letzten Jahrzehnt wurden dort die lokalen Verwaltungen von 1100 auf 145 reduziert, erst freiwillig, dann verpflichtend. Gemeinsame Bauhöfe, Meldeämter oder Musikschulen helfen nun Kosten sparen. Die Bürgermeister und Gemeinderäte aber blieben alle in Amt und Würden.

Einsparungen von bis zu zehn Prozent seien auch in Österreich möglich, ist Biwald überzeugt. Dabei gehe es nicht nur um Personalkosten, sondern um das gesamte kommunale Kostenvolumen von neun Milliarden Euro: „Man muss alle Aufgaben hinterfragen, den Betriebsaufwand eindämmen, Transfers für Vereine reduzieren.“

In einem Punkt aber gibt Biwald den Fusions-Skeptikern recht: „Eine ideale Größe gibt es nicht.“ Die Statistik zeigt, dass Orte zwischen 2500 und 5000 Einwohnern die niedrigsten Schulden pro Kopf aufweisen. Größere Kommunen haben wieder mehr Probleme, denn sie leisten sich „zentralörtliche“ Einrichtungen vom Hallenbad bis zum Theater.

Verstärkt sieht man dieses Phänomen im Speckgürtel von Wien, wie die BSL Managementberatung in einer aktuellen Studie zeigt. Vösendorf, Mödling und Schwechat etwa sind eigentlich reich an eigenen Einnahmen, aber dennoch relativ stark verschuldet.

„Solche Gemeinden bieten ihren Bewohnern einen hohen Standard, damit diese nicht in die nahe Großstadt ziehen“, erklärt BSL-Partner Reinhold Lock. „Wenn sie dann sparen müssen, heißt es schnell, das sei den Bürgern nicht zuzumuten. Dabei geht es um Leistungen, die es anderswo gar nicht gibt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2011)

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