"Potter": Langsames Sterben des Lord Voldemort

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Finale der Saga: Im zweiten Teil der Verfilmung des siebten und letzten Harry Potter-Romans "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" schafft es der Regisseur David Yates, Bombast und Rührung zu vereinen.

"Du hast die Augen deiner Mutter.“ Das sind in diesem letzten Harry-Potter-Film die letzten Worte des Severus Snape. Dieser bleiche Lehrer ist die schwierigste Person in Joanne K. Rowlings Saga – unter den drei „abandoned boys“, wie Rowling an einer Schlüsselstelle den bösen Lord Voldemort, den guten Harry Potter und eben Snape nennt, steht er in der Mitte, ein Doppelagent zwischen Gut und Böse.

Immer blasser, aufgedunsener und regloser ist sein Gesicht von Film zu Film geworden; doch als er stirbt, getötet von Voldemort, in den Tod begleitet von Potter, vergießt er eine Träne. Potter fängt sie auf. In dieser Flüssigkeit sind Snapes Erinnerungen, aus ihnen wird Potter unter anderem lesen, warum der Lehrer stets so garstig zu ihm war: Er war unglücklich verliebt in seine Mutter.

Diese romantische Wendung – die trotzdem einiges unerklärt lässt – ist von Rowling, aber die Idee mit der Träne als Träger der Erinnerungen ist von Regisseur David Yates (im Buch ist es „etwas, das mehr ist als Blut“, das aus Mund, Ohren und Augen quillt), und auch Snapes letzte Worte sind nicht aus dem Buch übernommen.
Das sind Feinheiten, gewiss, aber sie zeigen, wie sich Yates bemüht hat, das dichte Themengeflecht des siebten und letzten Potter-Teils – in dem ja alles enden und geklärt werden muss – möglichst verständlich zu machen. Er hat „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ bekanntlich in zwei Teile geteilt, die ziemlich unterschiedlichen Charakter haben, im Film und im Buch.
Der erste Teil, der ab November 2010 in den Kinos gelaufen ist, ist eine Art Road-Movie bzw. ein Wanderfilm, eine Reise vom Herbst in den Winter: Die drei Helden Harry, Ron und Hermine sind weit weg von ihrer von Bösen okkupierten Schule, auf sich allein gestellt in der Wildnis.

Kampf um die alte Schule

Der zweite Teil ist eine Homestory: Die Drei sind (nach einem kurzen Ausflug in die nahe gelegene Zaubererstadt Hogsmeade) zurück in der Schule, die das Leben ist, also in Hogwarts. Wo klarerweise die letzte Schlacht stattfinden muss. Der ganze Film ist eine Vorbereitung auf diese – und nimmt sie immer wieder vorweg, während die alten Gemäuer bröseln und bröckeln.

Die Schlacht um Hogwarts ist – wie es sich für Zauberer gehört, die ja nicht an Material sparen müssen – auch eine Materialschlacht: In etlichen Szenen werden Dinge mehr und mehr, drohen die Personen zu erdrücken. Alte Möbel und Bücher etwa, die dann in einer gewaltigen Szene in Flammen aufgehen, oder goldene Gefäße, unter denen Harry, Ron und Hermine einen der sieben Horcruxe suchen, in denen Voldemort seine finstere Seele gespeichert hat.

Harry Potter selbst ist ein solcher Horcrux und daher mit Voldemort magisch verbunden; wenn dieser zürnt, bekommt er Kopfweh. Das ist die arge Pointe des letzten Potter-Romans: Der Böse steckt im Kopf des Guten. Der alte Prof. Dumbledore (der schon im sechsten Teil gestorben ist, was ihn nicht daran hindert, mehrmals belehrend aufzutreten, einmal in einer glorreich aufgeräumten und vernebelten King's Cross Station) interpretiert das weitgehend: Harry Potter muss notwendigerweise sterben, um die Welt von Voldemort zu befreien. Er ist als Opfer auserkoren. Warum Dumbledore doch irrt, das ist höhere Potterologie. Wie die komplizierte Sache mit den Zauberstäben, die ihr Eigenleben haben und deren Kerne paarweise verschränkt sein können ...

Man muss das nicht hundertprozentig verstehen, um den Film intuitiv zu begreifen. Denn dieser ist eben kein Drama der Zauberstäbe, sondern ein Drama der jungen Menschen. So dürfen einander Ron und Hermine innig küssen, wenn die Schlacht kurz Pause macht. Nur Harry hat für längere Küsse keine Zeit. Dass ihm Ginny Weasley bestimmt ist, merkt man in diesem Film kaum.
Nach all den wahnwitzigen, den Zuseher strapazierenden Verfolgungs- und Schlachtenszenen, nachdem all das Wasser verströmt und all das Feuer erloschen ist, alle Legionen von Zauberwesen aufmarschiert sind, alle Zauberstäbe ihre letzten Funken versprüht haben, zerbröselt endlich Voldemort wie altes Papier: Sein Ende, dem im Buch eine „mundane finality“ zugeschrieben wird, ist im Film fast zu theatralisch.

Das Ende gehört Harry, Ron und Hermine

Doch dann kommt noch eine gute Idee des Regisseurs: Während im Roman der siegreiche Harry Potter exzessiv von den Massen bejubelt wird, als „their leader and symbol, their saviour and their guide“ gefeiert, steht er im Film erst allein da, verwirrt, schaut hilflos drein. (Das kann Darsteller Daniel Radcliffe ja am besten.) Dann gesellen sich Ron und Hermine zu ihm: Nicht triumphal, fast melancholisch erleben sie die ersten Momente einer befreiten Welt.

Und der Epilog? Ja, er ist fast so rührend wie im Buch. Am Ende steht zwar nicht der Satz „All was well“, aber der Hogwarts Train fährt in die Ferne, eine neue Generation in sich. Manche weinen: Tränen der Erinnerung.

Potter-Chronologie

1997 erschien „Harry Potter and the Philosopher's Stone“, der erste Teil der siebenteiligen Harry-Potter-Saga von Joanne K. Rowling. Es folgten „Chamber of Secrets“ ('98), „Prisoner of Azkaban“ ('99), „Goblet of Fire“ (2000), „Order of the Phoenix“ ('03), „Half-Blood Prince“ ('05), „Deathly Hallows“ ('07).

2001 kam die Verfilmung des ersten Teils ins Kino, schon mit Daniel, Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint als Harry, Hermine und Ron.

2005 lief der erste Potter-Film (der fünfte Teil) an, bei dem David Yates Regie führte. Yates blieb der Saga treu, den siebten Roman zerlegte er in zwei Teile.

2011 läuft nun der zweite Teil des siebten Teils an: ab Mittwoch in Österreich, wahlweise in 3D-Version.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. Juli 2011)

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