Guantánamo: Ein Copy-Shop für den Exhäftling

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Mustafa Ait Idir saß sieben Jahre unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo. Nun will er in Sarajewo eine Existenz gründen und dies mit prominenter Hilfe.

Wien/Som. Für Mustafa Ait Idir ist es schlicht „der schlimmste Ort der Welt“ – das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba, in dem der Bosnier algerischer Herkunft sieben Jahre seines Lebens verbringen musste. Unschuldig.

Idir kam als Mitarbeiter einer islamischen Hilfsorganisation gegen Ende des Jugoslawien-Krieges nach Sarajewo. Er wurde mit fünf anderen gebürtigen Algeriern im Oktober 2001 von den bosnischen Behörden nach Hinweisen des US-Geheimdienstes verhaftet. Der Gruppe, die unter dem Namen „Algerian Six“ bekannt wurde, wurden Anschlagspläne gegen die amerikanische und britische Botschaft vorgeworfen. Allerdings stellte die Staatsanwaltschaft der bosnischen Föderation nach dreimonatigen Ermittlungen fest, dass es für den Verdacht keine Beweise gebe. Die Berichte, auf die sich die Vereinigten Staaten stützten, bleiben bis heute geheim.

Übergabe an US-Soldaten

Doch der Fall von Mustafa Ait Idir war damit nicht beendet – im Gegenteil. Idirs weiteres Schicksal illustriert auch die Schwäche der Behörden im Nachkriegs-Bosnien: Die bosnischen Behörden übergaben die „Algerian Six“ aus dem Gerichtssaal weg an US-Soldaten. Manfred Nowak, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter über Folter, war zu dieser Zeit Richter an der Bosnischen Menschenrechtskammer. Auch ein Auslieferungsverbot dieses Gremiums konnte Idirs Abtransport ins damals frisch geschaffene Gefangenenlager Guantánamo nicht verhindern.

„Es stand die Drohung der USA im Raum, ihre Unterstützung für Bosnien zu entziehen“, sagt Wolfgang Petritsch, österreichischer Diplomat und von 1999 bis 2002 Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina. „Die schwache bosnische Regierung musste sich dem Unrecht beugen.“ Erst im November 2008 verurteilte ein US-Gericht die Internierung der Männer als ungesetzlich. Im Dezember 2008, nach Einzelhaft und Folter, kehrte Idir nach Bosnien zurück, wo seine Frau und vier Kinder auf ihn warteten.

Einer der „Algerian Six“ sitzt noch immer in Guantánamo. Laut Petritsch würden derzeit „vielversprechende Gespräche mit Regierungen“ geführt, die bereits Exhäftlinge aufgenommen haben. Um welche Staaten es sich handle, wollte er indes nicht verraten.

Haftentschädigung gab es nie

Idir hat trotz seiner illegalen Inhaftierung nie eine Kompensation erhalten. Arbeit hat der frühere Computergrafiker auch mehr als zwei Jahre nach seiner Freilassung noch keine gefunden. Petritsch und Nowak, die sich beide seit Jahren für Idirs Freilassung eingesetzt haben, haben nun ein Hilfsprojekt initiiert. Über die österreichische Projektfinanzierungsplattform „respekt.net“ wollen sie Spenden in der Höhe von 25.000 Euro sammeln. Das Ziel: Der Exhäftling soll bald stolzer Besitzer eines Copyshops in Sarajewo sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2011)

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