Serbiens Chefunterhändler Borislav Stefanović wirft der internationalen Schutztruppe vor, die kosovarische Regierung zu unterstützen. Eine Lösung sieht er nur in einer Rückkehr zum Verhandlungstisch.
Die Presse: Im Kosovo scheinen die Fronten verhärtet. Wie hat der Brandanschlag serbischer Extremisten auf einen Grenzposten Ihre Bemühungen zur Lösungssuche beeinträchtigt?
Borislav Stefanović: Wir verurteilen diesen kriminellen Akt. Das hat uns jede Menge Ärger beschert. Es gingen wieder sehr negative Bilder von Serbien um die Welt. Was sie anrichteten, spielte nur der albanischen Seite in die Hände – und war absolut gegen die Interessen der Leute hier.
Was war das Motiv der Täter ?
Sie versuchen, sowohl unseren Dialog mit dem Kosovo in Brüssel zu sabotieren, als auch meine jetzigen Verhandlungen mit Kfor-Kommandant Bühler. Sie profitieren davon, wenn hier eine ständige Krisensituation herrscht.
Und was sagen Sie zum Versuch Prishtinas, die Grenzübergänge unter Kontrolle zu bringen?
Das sollte uns vor vollendete Tatsachen stellen und ist absolut nicht zu akzeptieren. Es ist gegen die Vereinbarungen des Dialogs gerichtet, wonach es keine einseitigen Änderungen der derzeitigen Lage geben darf.
Die Kosovo-Regierung wirft Ihnen vor, die fast schon erzielte Einigung über die Zollstempel im letzten Moment platzen lassen zu haben.
Die Forderung, dass bis Juli eine Einigung erzielt werden müsste, war ein Erpressungsversuch. Aber es gibt keine Fristen und keine Bedingungen in diesem Dialog. Es ist besser, eine gute Lösung einen Monat später zu erzielen, als eine Lösung zu haben, die sich nicht umsetzen lässt.
Serbien blockiert Kosovos Importe schon seit zweieinhalb Jahren. Ist es nicht verständlich, dass Prishtina nun ähnlich antwortet?
Wir blockieren nicht, wir sagen nur, dass sie die Stempel benutzen sollen, mit denen sie Mitglied des Freihandelsabkommens Cefta wurden: Unmik Kosovo. Wenn sie die Stempel wechseln, muss es dafür ein Abkommen geben.
Glauben Sie noch an eine Verhandlungslösung?
Natürlich! Das Problem ist, dass jemand in Prishtina seine Geduld und Fassung verlor. Und wo es Aktionen gibt, gibt es immer Reaktionen. Doch wir müssen diese Situation überbrücken – und endlich wieder miteinander sprechen.
Stehen einer Einigung letztlich nicht die unüberbrückbaren Gegensätze bei der Statusfrage entgegen?
Wir haben bewiesen, dass sich konstruktiv Ergebnisse erzielen lassen. Doch jetzt spielt Prishtina die Rolle Serbiens in den 1990ern. Wir sind bereit, den Dialog fortzusetzen.
Wie ist die Stimmung unter den Serben im Kosovo?
Niemand will Gewalt. Aber die Leute sind aufgebracht. Die Lage im Nordkosovo ist anders als im Süden. So wie wir akzeptieren, dass die Albaner im Süden nicht unter serbischer Souveränität leben wollen, muss Prishtina akzeptieren, dass die Leute hier nicht unter der Souveränität des Staates der Albaner leben wollen.
Wie beurteilen Sie die Rolle der Kfor in dem Konflikt?
Als General Bühler mir ankündigte, dass er weiter albanische Zollbeamte an die Kontrollpunkte fliegen lassen wolle, sagte ich ihm, dass er Kfor zur „Air Thaçi“ mache. Die Kfor muss statusneutral bleiben. Denn es ist sehr schwer, die Leute zu beruhigen. Wir müssen reinen Tisch machen und zur Ausgangssituation zurückkehren, tief Atem holen – und eine Lösung finden.
Ist das denn noch möglich ?
Ja, ich bin ganz sicher. Wenn zwei deutsche Staaten trotz großer Meinungsverschiedenheiten miteinander auseinander kommen konnten, sollte uns das auch gelingen.
Zur Person
Borislav „Borko“ Stefanović führt als serbischer Chefunterhändler die Gespräche mit Prishtina. Der 1974 in Novi Sad geborene Jurist ist politischer Direktor im serbischen Außenministerium. 2001 trat er in den diplomatischen Dienst ein und war unter anderem in Washington stationiert. [Archiv]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. Juli 2011)