Nordsee ist noch nicht ganz trocken

(c) Dapd (Harald Pettersen /Statoil)
  • Drucken

Eine gute Nachricht für Europas Energieversorgung: Der norwegische Ölkonzern Statoil meldet einen "historischen" Fund in eigenen Gewässern. In der kommenden Woche plant Statoil weitere Bohrungen.

Wien/Juk/Ag. „Ein historischer Ölfund in der Nordsee“, frohlockte der staatliche norwegische Ölkonzern Statoil. Er hat ein Feld gefunden, das zwischen 500 Mio. und 1,2 Mrd. Fass (à 159 Liter) an ausbeutbarem Rohöl umfasst. Neuen Untersuchungen zufolge ist der Fund „Aldous Major South“ mit dem angrenzenden „Avaldsnes“-Feld verbunden. Die beiden Felder seien damit Teil eines „riesigen“ Ölfeldes, der wahrscheinlich größte Offshore-Ölfund weltweit in diesem Jahr. „Er hat der gesamten Ölindustrie neuen Optimismus verliehen“, sagte Tim Dodson, der bei Statoil für die Erschließung von Ölfeldern verantwortlich ist. In der kommenden Woche plant Statoil weitere Bohrungen in einem weiteren Bereich namens Major North Prospect. Hier stehen laut Statoil die Chancen, dass rund 300 Mio. Fass noch hinzukommen, bei 50:50.

Den beschworenen Optimismus kann Statoil gut brauchen. Denn 2010 war Norwegen laut einem Branchenreport von BP eines jener Länder, deren Ölproduktion am stärksten zurückging. Statoil – deckt in Norwegen 80 Prozent der Produktion ab und ist damit der größte Ölkonzern – hat 2010 seine Sollzahlen verfehlt und dürfte auch 2011 weniger als im Vorjahr produzieren.

2010 um 9,4 Prozent weniger Öl

Im Jahr 2000 erreichte die Ölförderung in Norwegen ihren Höhepunkt; seither geht es mit den Fördermengen bergab.

2010 wurden pro Tag 2,1 Mio. Fass pro Tag gefördert – das entspricht gegenüber 2009 einem Rückgang von 9,4 Prozent. Im Jahr 2000 hatte Norwegen noch mehr als 3,3 Mio. Fass Öl produziert. Auch die Rohölreserven des Landes gehen zurück: Waren Ende 2000 noch 11,4 Mrd. Fass realistischerweise abbaubar, so waren es Ende 2010 nur mehr 6,7 Mrd. Fass. Norwegen ist wie Großbritannien wirtschaftlich stark von der Ölproduktion abhängig. Anders ist das bei anderen Anrainerstaaten der Nordsee wie Deutschland, den Niederlanden und Dänemark, die Öl in einem weitaus geringeren Ausmaß fördern. Die Nordsee ist unter den Anrainerstaaten in Wirtschaftszonen aufgeteilt. Laut EU gibt es darin insgesamt rund 400 Erdölförderanlagen.

Norwegen war das erste Land, das in den 1960er-Jahren ein großes Ölfeld vor der eigenen Küste entdeckte. Seit Anfang 1970 wird dort Öl gefördert. Es war die Ölkrise 1973, die der Erdölförderung in der Nordsee Auftrieb verlieh. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hat damals die Fördermenge bewusst gedrosselt, um westliche Länder politisch unter Druck zu setzen. Der Rohölpreis stieg in der Folge stark an, was eine Rezession in den Industrieländern auslöste. Durch die Erschließung neuer Erdölquellen wollten sich die betroffenen Länder von den OPEC unabhängiger machen.

Heute ist die Ölproduktion global gleichmäßiger verteilt: Die OPEC-Staaten decken 41,5 Prozent der jährlichen Produktion ab. Doch mit 41,7 Prozent kommt ein ebenso hoher Anteil aus Nicht-OPEC-Ländern (ohne die Staaten der früheren Sowjetunion, aus denen 16,8 Prozent kommen).

Irak und Venezuela attraktiver

Doch die globale Bedeutung der Nordsee als Förderregion nimmt stetig ab. Auch Großbritannien als zweiter großer Nordsee-Player verzeichnete 2010 einen Förderrückgang um knapp acht Prozent auf 1,3 Mio. Fass täglich. Für Ölunternehmen ist es attraktiver, in Ländern mit steigenden Ölfunden wie Venezuela oder Irak zu bohren, als Reste von Ölfeldern in der Nordsee herauszuholen. Denn komplizierte Bohrungen in weitestgehend ausgeschöpften Ölfeldern sind weit kostspieliger. Misst man die neuen Funde in Norwegen an dem, was 2010 weltweit täglich an Öl verbraucht wurde – nämlich 87,4 Mio. Fass – käme man damit nur knapp 14 Tage aus.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.