Olympia 1948: "Hatten nicht einmal einen Trainer"

Olympia 1948 Hatten nicht
Olympia 1948 Hatten nicht(c) AP
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Österreichische Teilnehmerinnen der Sommerspiele in London 1948 erzählen, wie sie für ihre waghalsigen Salti trainiert haben. Die Bilanz der Athleten kann sich angesichts der Umstände durchaus sehen lassen.

Austria is qualified for the finale.“ Noch immer hat Ilse Steinegger diese Worte in den Ohren, die aus den rauschenden Lautsprechern dröhnten. Da war Steinegger, nach einigen Sekunden in der Luft schwebend, bereits im Sand gelandet und hatte nun erfahren, dass sie 5,20 Meter gesprungen war. Auch wenn es am Ende doch nicht für eine Medaille gereicht hat – Steinegger nimmt den olympischen Gedanken durchaus ernst: Dabeisein ist alles. Die Tirolerin selbst war 1948 bei den Sommerspielen in London mit dabei.

Die meisten anderen Leichtathletikkolleginnen, mit denen sich die 86-Jährige angeregt unterhält, hat Steinegger vor 63 Jahren zum letzten Mal gesehen; zu dieser Wiederbegegnung hat die britische Botschaft in Wien eingeladen. Anlass: Die Olympischen Spiele, die nächstes Jahr wieder in London stattfinden werden. Abgesehen von der britischen Hauptstadt als Austragungsort scheint die Teilnehmer von damals nicht viel mit den zeitgenössischen Sportlern zu verbinden.

Das beginnt damit, dass die meisten Athleten während der Kriegsjahre und danach nur nebenbei trainiert haben. „Wir hatten nicht einmal einen Trainer“, erzählt Steinegger. Mit den anderen Mädchen traf sie sich dreimal die Woche auf dem Sportplatz, um nach eigener Regie zu üben. Auch, was die Ernährung betrifft, war alles recht unprätentiös. Es gab Knödel mit Sauerkraut, der kilometerlange Weg zum Sportplatz war der nicht vorsätzliche Verdauungsspaziergang.

Bei Turnerin Irmentraud Ruckser hören sich die Trainingsmethoden noch waghalsiger an: „Die Salti wurden damals händisch gemacht.“ Heißt: Zwei Kolleginnen halten die Füße einer Sportlerin und katapultieren sie mit aller Kraft in die Luft. Notdürftig wurde auch die Sportkleidung zusammengeklaubt, gute Laufschuhe waren überhaupt eine Erfindung späterer Zeiten, wie Elfriede Reichert-Steurer erzählt: „Hätte es damals die guten Tartanlaufbahnen gegeben, die hätten mich zum Ziel katapultiert.“ Erfolgreich war Reichert-Steurer trotzdem – zwar nicht in London, aber vier Jahre später in Helsinki, als sie den 80-Meter-Hürdenlauf in 11,4 Sekunden hinter sich brachte und damit lange den österreichischen Rekord hielt.

Die Bilanz der Athleten kann sich angesichts dieser Umstände durchaus sehen lassen: eine Goldmedaille (Speerwerferin Herma Bauma; sie verstarb 2003) und drei Bronzemedaillen. „Cool“ findet die Schwimmerin Mirna Jukić, dass es die Frauen waren, die die Medaillen mit nach Hause brachten. Sie selbst wird nächstes Jahr zwar nicht teilnehmen, sehr wohl aber ihr Bruder Dinko, ebenfalls Schwimmer.

Trotz aller sportlicher Entwicklungen in den vergangenen 60 Jahren haben die Athleten dennoch Berührungspunkte. Dem olympischen Gedanken stimmen alle zu – auch der Tatsache, dass jeder Sportler ein Mal im Leben an den Spielen teilnehmen sollte. „Diese ganz eigene Atmosphäre kann man nicht schildern“, meint die 86-jährige Ruckser.

Reichert-Steurer versucht es dennoch: Sie könne sich noch an viele Details erinnern, angefangen vom Mädchenpensionat, in dem sie mit den Niederländerinnen wohnten, bis hin zur Stimmung beim Einzug in das Stadion. „Es war etwas Besonderes für uns“, meint die 86-Jährige, „weil wir zum ersten Mal herausgekommen sind nach der Hungersnot und dem Krieg.“

Auf einen Blick

Olympia in London. 1948 fanden in der britischen Hauptstadt zum zweiten Mal – nach 1908 – die Olympischen Spiele statt. Von 59 teilnehmenden Nationen erlangte Österreich den 21.Platz mit einer Gold- und drei Bronzemedaillen: Herma Bauma errang die bisher einzige Goldmedaille für Österreich in einem Leichtathletikbewerb (Speerwerfen). Da im nächsten Jahr die Spiele wieder in London stattfinden werden, hat die britische Botschaft damalige und aktive Sportler zum Gedankenaustausch in die Residenz eingeladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2011)

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