ÖVP: Weniger Steuern, aber Solidarabgabe für Reiche

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Kehrtwendung in der ÖVP ist vollzogen: Solidarabgabe auf hohe Einkommen soll Geld für Bildung bringen. Weitere Maßnahmen sollen in Kraft treten. Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz soll angehoben werden.

Wien. Das Schweigegelübde hielt nicht lange: Der ÖVP-Vorstand einigte sich vergangenen Freitag darauf, nicht mehr mit Einzelforderungen zu Steuermaßnahmen an die Öffentlichkeit zu gehen. In der „Presse am Sonntag“ machte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll dann genau das, er deponierte sein klares Nein zu neuen Vermögenssteuern, sprach sich jedoch im selben Atemzug für die Einführung einer zusätzlichen Besteuerung für sehr hohe Einkommen aus. Der Wirtschaftsbund reagiert empört, doch in der Partei hieß es zur allgemeinen Verwunderung, dass der Vorstoß Prölls abgesprochen sei.

ÖVP-Modell mit einer Bedingung

Tatsächlich gibt es ein ÖVP-Modell, dessen Grundzüge der „Presse“ am Montag von mehreren Quellen bestätigt wurden, das genau dies vorsieht: Auf hohe Einkommen – analog zum SPÖ-Vorschlag ab 300.000 Euro pro Jahr – soll auf einige Jahre begrenzt eine Solidaritätsabgabe eingeführt werden. Deren Erlöse sollen, so der ÖVP-Plan, für Bildungsausgaben zweckgebunden werden.

Zeitgleich sollen aber weitere Maßnahmen in Kraft treten: Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz von bisher 60.000 Euro Bemessungsgrundlage pro Jahr (Bruttogehalt minus Sozialbeiträge und Steuerabsetzbeträge) soll um mindestens 10.000 bis 20.000 Euro angehoben werden. „Die Presse“ hat bereits am 15.September über entsprechende Pläne von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) berichtet.

Auch darunter sollen alle Einkommen entlastet werden – zumindest um die Höhe der sogenannten kalten Progression. Das ist jene schleichende Erhöhung der Steuern, wenn man als Steuerzahler dank Inflation in höheren Steuerklassen landet und so am Schluss netto weniger bleibt. Generell soll, so will es zumindest die ÖVP, das gesamte Steuersystem vereinfacht werden, dabei könnten übrigens, hört man im Finanzressort, auch manche Steuerfreibeträge „verschwinden“.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der sich am Montag als einer der wenigen aus der Deckung gewagt hat, aber wie viele in der ÖVP nicht glücklich über die Debatte ist, meint im Gespräch mit der „Presse“: „Ich mache aus meinem Herzen sicher keine Mördergrube. Solche Einzelvorschläge kommen zum völlig falschen Zeitpunkt. Derartige Maßnahmen kann man nur ernsthaft angehen, wenn wir mit der generellen Abgabenquote unter die derzeitigen 44,4 Prozent kommen.“ Man dürfe keinesfalls über Einzelmaßnahmen reden, sondern müsse das Gesamtkonzept diskutieren. So wird heute, Dienstag, Vizekanzler Spindelegger beim Ministerrat die Debatte kommentieren.

Dabei war er es selbst, der den ÖVP-Landeshauptleuten offenbar die Forderung nach einer Solidaritätsabgabe angekündigt und zugesichert hat. So äußerten sich etwa Vorarlbergs Herbert Sausgruber und Oberösterreichs Josef Pühringer positiv. Laut Steiermarks Landesparteichef Hermann Schützenhöfer sei die Idee „einige Tage davor im Kreise der Landesparteichefs von Parteichef Michael Spindelegger geboren worden“, wie der Steirer der „Presse“ bestätigt. Schützenhöfer meint zur Solidarabgabe: Man müsse „ohne Schaum vor dem Mund und ohne Neidkomplex“ darüber diskutieren, „was man von den Reichen noch verlangen kann, ohne sie aus dem Land zu vertreiben“. Schon vor 22 Jahren habe er parallel zur deutschen Wiedervereinigung und der dortigen temporären Solidarabgabe eine solche auch für Millionäre in Österreich gefordert.

ÖAAB: Idee „diskussionswürdig“

Der Arbeitnehmerbund (ÖAAB) begrüßt die Solidarabgabe-Debatte. „Wir finden das in Österreich diskussionswürdig“, sagt ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl der „Presse“. Aber zur Vermögenssteuer meint er: „Eine rote Enteignungssteuer ist für die ÖVP absolut ausgeschlossen. Das wird es mit uns nicht geben.“ Das ÖAAB-Steuerkonzept wird beim Bundestag am 26.November vorgelegt.

>>> Quiz zum Steuer-Dschungel: Haben Sie den Durchblick?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2011)

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