Marcel Koller ist im österreichischen Fußball niemandem einen Gefallen schuldig. Allein das spricht für ihn als neuen Teamchef.
Der neue Teamchef kommt aus der Schweiz, heißt Marcel Koller und war 1987 das letzte Mal in Wien – als Spieler der Grasshoppers Zürich beim Stadthallenturnier. Er kennt den österreichischen Fußball nur von DVDs. Namen wie Gigi Ludwig, Rudolf Edlinger oder all die Granden kennt oder kannte er bis vor Kurzem nicht. Er ist niemandem im Fußballbetrieb – auch niemanden im ORF oder in der „Kronen Zeitung“ – einen Gefallen schuldig.
Mit anderen Worten: Marcel Koller ist ein Glücksgriff. Und all die Kommentare, die ihm bereits vorab die Qualifikation absprechen, weil der 1.FC Köln und VfL Bochum angeblich keine Topadressen sind, sind nur ein weiterer Beweis dafür, dass Koller mit niemanden verhabert ist, wie es auf Wienerisch so schön heißt. Über seine Qualität als Teamchef wird man nach dem 15.November, nach dem Länderspiel gegen die Ukraine, urteilen können und dürfen.
Leo Windtner kann man hingegen jetzt schon Respekt zollen. Dass Kollers Bestellung bis zuletzt nicht durchgesickert ist, dass es keine Indiskretionen und Querschläger gegeben hat, zeigt, dass der ÖFB-Präsident den Laden doch besser im Griff hat, als man bisher vermuten durfte. Die Präsentation des neuen Teamchefs gibt Hoffnung, dass die angekündigten Strukturreformen im ÖFB mehr sind als zahnlose Papiertiger. Mehr Professionalität, mehr Modernität, mehr Internationalität sind gefragt. Das Engagement von Marcel Koller ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Gemessen wird er aber am Ende weder an seinem schicken Auftreten noch an früheren Erfolgen, sondern an den Resultaten des Teams. Er hat hier nämlich keine Haberer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2011)