"Metamart": Eintritt nur mit Perlenkette!

Metamart Eintritt Perlenkette
Metamart Eintritt Perlenkette(c) APA (HANS KLAUS TECHT)
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Ab Mittwoch kann man dem Kunstmarkt beim Grübeln zusehen: Im Wiener Künstlerhaus gastiert der "Metamart", eine Art selbstreflexiver "Kunstsupermarkt", der die Toleranz von Künstlern und Käufern testet.

Die Nachfrage nach junger Kunst zu günstigen Preisen scheint unerschöpflich. Vor Weihnachten gibt es in Wien unzählige Charity-Auktionen, zwei bekennende Kunstsupermärkte und ab Mittwoch wieder den Kunstbasar im Künstlerhaus, der drei Jahre lang „Artmart“ hieß. Hunderte Künstler stellten hier aus und verdienten wenigstens einmal im Jahr wirklich gut, die meisten jedenfalls: Denn jedes Werk hier kostete einheitlich 80 Euro.

Das hat derart gut funktioniert, dass Organisator Lorenz Seidler, der unermüdliche Wiener Kunstvermittler „Esel“, skeptisch wurde: „Das Modell war schon zu etabliert. Ich wollte aber die Diskussion über alternative Formen des Kunstmarkts lebendig halten – und das geht nur mit etwas Neuem.“

Also hat er heuer eine Ebene mehr eingezogen, der „Metamart“ war erfunden, sozusagen die selbstreflexive Schwester des „Artmarts“. In 14 „unterschiedlichen Shopping-Erlebnissen“, so Seidler, werden „teils mit Augenzwinkern“ verschiedene Marktsituationen ausprobiert und dabei einige der Probleme thematisiert, die entstehen, wenn Kunst und Geld aufeinandertreffen: Vor allem wird diesmal so sichtbar wie nie, wie der Kunstmarkt die Kunst, die Nachfrage das Angebot zu formen vermag. Denn die Vorgaben von Seidler was Preise und Formate betrifft sind diktatorisch streng.

In einer Abteilung etwa darf jedes Werk nur 100 Euro kosten. In einer anderen dürfen nur Arbeiten verkauft werden, die einen Quadratdezimeter groß sind. In der nächsten gibt es ausschließlich Schneekugeln (2,50 das Stück). Eine andere darf nur betreten werden, wenn man eine Perlenkette oder eine Krawatte um den Hals trägt.

230 Künstler im Praxistest.
Welche Kunstjäger sich diesen Anforderungen einer klischeehaft bürgerlichen „Maskierung“ unterwerfen, wird man sehen. Überraschend ist eher, dass sich doch 230 vorwiegend junge Künstler und Künstlerinnen den Vorgaben unterwarfen. Ja, es gab zu diesem „Praxistest alternativer Kunstmärkte“ sogar viel mehr Bewerbungen als für den „Artmart“, wundert sich sogar Seidler.

Und bis zu einer endgültigen Teilnahme gab es noch weitere Hürden zu überwinden: Man musste nämlich vorgeschlagen werden, von ausgewählten Kuratoren oder einem von 25 Off-Spaces. Über die endgültige Aufnahme bestimmte noch eine Fachjury. Ein kompliziertes Prozedere, um sich einem „Crashkurs für künstlerischen Selbstentwurf“ zu stellen, wie Seidler es formuliert.

Denn jeder Künstler muss in zwei Kategorien bestehen und sich dazu wohl etwas überlegen. So ohne Weiteres verschlägt es einen Künstler ja nicht in die Sparte „Amateurkunst“, denkt sich der Laie. Und ein Werk, das 100.000 Euro wert sein soll, lässt sich auch nicht mir nichts, dir nichts aus dem Ärmel schütteln. „Viele thematisieren mit ihren Werken die Marktsituation“, berichtet Seidler, „es wird um Reputationsmanagement, soziale Netzwerke, Selbstinszenierung und Rollenbilder gehen. Es wird zu Zerrbildern des Marktes kommen, die wir überspitzt formulieren.“

Das ist auch das Bedenken von einigen Teilnehmern. Während manche die Metaebene einfach ignorieren und den Platz, welchen auch immer, für den Verkauf nützen wollen, findet Stefanie Wuschitz, die mit der „Zeichengruppe Kollektiv“ teilnimmt, klare Worte für die Situation: „Die Organisation zwingt Künstler dazu, zu Grimassen ihrer selbst zu werden. Aber natürlich wollen alle dabei sein, es ist sehr verlockend, hier gut zu verdienen. Die Leute sind in den letzten Jahren wie Heuschrecken über alles hergefallen.“

Letztendlich sei das ganze ein Kunstwerk von Seidler, „eine soziale Plastik“, so Wuschitz.

Ist der „Artmart“ früher angetreten „gegen das ökonomische Vakuum junger Künstler“, stellt der „Metamart“ dieses heuer teils ins Groteske verzerrt aus. Denn nach den Verkaufstagen friert der Kunstmarkt zu einer Ausstellung ein. Jedes Werk, das verkauft wurde, bleibt als Schwarzweißkopie an der Wand zurück. Ein zusätzlicher Ausstellungsteil beschäftigt sich parallel zum Marktteil noch einmal mit dem Thema Kunst und Kapital. Im Rahmenprogramm werden alternative Messeformen wie die Londoner „Free Art Fair“ vorgestellt. Eine Lösung für die Hassliebe zwischen Künstlern und ihrem Markt hat Seidler auch nicht anzubieten. Aber natürlich werde auch diese Ratlosigkeit hinterfragt, irgendwo am „Metamart“.

Metamart: 16.11.–19. 1., Künstlerhaus

Vienna Art Week ist ebenfalls kommende Woche, volles Programm unter www.viennaartweek.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2011)

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