Analyse: Die Leiden der jungen Medizin-Unis

Analyse Leiden jungen MedizinUnis
Analyse Leiden jungen MedizinUnis(c) Med-Uni Wien
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Im Jahr 2004 wurden sie gegen große Widerstände eigenständig – und bis heute kämpft so manche Med-Uni mit Startschwierigkeiten. Der Uni-Minister rät in Innsbruck jetzt zur "Fusion". Eine Bestandsaufnahme.

Eine eigene Medizin-Uni ist derzeit kein dringendes Problem, sondern nur ein emotionell unnötiger Aufwand.“ Ein Zitat aus dem Jahr 2001 – getätigt ausgerechnet von Wolfgang Schütz, jenem Mann, der später ebendieser Uni als Gründungsrektor vorstehen sollte –, das nur zu gut beschreibt, unter welch schwierigen Bedingungen die drei Medizin-Unis im Jahr 2004 in Österreich den Betrieb aufgenommen haben.

Die Vorbehalte gegen die jungen Institutionen – bis dahin als Fakultäten Teil der Unis Wien, Graz und Innsbruck – waren groß. Und sind es bisweilen noch: So mancher Kritiker will bis heute keine sachlichen Gründe für die von Schwarz-Blau betriebene Ausgliederung finden. Es sei stets nur um Begehrlichkeiten, finanzielle Streitereien zwischen den medizinischen Fakultäten und den Rektoraten und vor allem persönliche Eitelkeiten gegangen, so die Vorwürfe. Andere, etwa der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann, sprechen den Medizin-Unis überhaupt den Status der Universität ab: Sie seien „Ausbildungsstätten“, mehr nicht.

So ist es wenig verwunderlich, dass – wann immer die Restrukturierung des Hochschulsektors aufs Tapet kommt – auch die Medizin-Unis als Streichkandidaten gelten. Vor allem wenn eine von ihnen, so wie derzeit die Med-Uni Innsbruck, breite Angriffsfläche für Kritik bietet. Nach möglichen medizinischen Verfehlungen und internen Streitereien hat sie nicht nur den eigenen Ruf beschädigt – sondern auch die Grundsatzdebatte über eigenständige Med-Unis neu angefacht.

Jahrelange Grabenkämpfe

Tatsächlich war die Entstehungsgeschichte der Medizin-Unis vor allem von politischen Grabenkämpfen rund um Universitätsgesetz und Uni-Autonomie geprägt. Es war Karl-Heinz Grasser (damals FPÖ), der im Jahr 2001 als Finanzminister einen „dramatischen Handlungsbedarf“ sah: Das System „funktioniert nicht“, so Grasser damals. Der Mitteleinsatz stimme nicht mit der Realität überein – Strukturbereinigungen seien nötig. Etwa durch die Zusammenlegung alter und Gründung neuer Universitäten.

Ausgangspunkt für die Überlegungen, die Medizin-Fakultäten in Wien, Graz und Innsbruck auszugliedern, waren die budgetäre und verwaltungsmäßige Überbeanspruchung der Unis durch den Klinikbetrieb einerseits und das Eigenleben der Uni-Kliniken andererseits. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer richtete eine Steuerungsgruppe ein. Unterschiedliche Modelle wurden präsentiert. Etwa jene einer einzigen Med-Uni mit „Außenstellen“. Oder der Verbleib an den Unis mit „Sonderrechten“.

Rasch schmiedeten Befürworte und Gegner unterschiedlichste, wechselnde Allianzen. Vor allem in Innsbruck war man einhellig gegen die Abspaltung. (Die Landespolitik ist es, quer durch die Parteien, bis heute.) Die kritische Masse, so das Argument, gehe verloren. In Graz gab es innerhalb der Med-Fakultät Kräfte für die Loslösung, andere Uni-Vertreter waren dagegen. In Wien sprachen sich die Mediziner – darunter Wolfgang Schütz – schließlich doch für die Eigenständigkeit aus. Rektor Georg Winckler war – auch als Uniko-Chef – strikt dagegen. Nicht nur er befürchtete die Zerschlagung der Volluniversität, eine „Schwächung der grundlegenden medizinischen naturwissenschaftlichen Fächer“, Mehrkosten in der Verwaltung sowie Loslösungstendenzen anderer Fakultäten – etwa der Juristen. Auch SPÖ und die Grünen waren dagegen.

Dennoch: 2004 war die Ausgliederung vollendet. Mit unterschiedlichem Erfolg: In Graz führt Josef Smolle die Medizin-Uni fernab des Deutschen-Ansturms und in guter Kooperation mit anderen steirischen Hochschulen nach außen hin ruhig und unaufgeregt. Die Medizin-Uni Wien, an der geplante Sparmaßnahmen derzeit für Turbulenzen sorgen, wird allein schon wegen ihrer Größe öffentlich nicht infrage gestellt.

Töchterle will Gesetzesänderung

Anders in Tirol. Die Med-Uni Innsbruck sorgt seit Jahren regelmäßig für negative Schlagzeilen. Die Palette reicht von wissenschaftlichen Verfehlungen bis zu heftigen Kontroversen bei der Rektorwahl. Der Tod eines dreijährigen Mädchens an der Kinderklinik gibt Kritikern Auftrieb. Zuletzt forderte Landeschef Günther Platter (ÖVP) die Rückführung in die Uni Innsbruck. Und selbst Med-Uni-Chef Herbert Lochs gestand im „Presse“-Gespräch ein, dass es „bis heute nicht in zufriedenstellender Weise gelungen ist, sich zu strukturieren“.

Jetzt legt Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im Interview mit der „Presse“ nach: Er wolle die Innsbrucker Unis zwar nicht zur Fusion drängen – das widerspreche der Autonomie. Dennoch legt er den Zusammenschluss „als gleichwertige Partner“ nahe: „Ich sehe Vorteile darin. Und wenn die Unis die Vorteile auch sehen, ist es mir recht.“ Platters Vorstoß stehe „in der Tradition der Tiroler ÖVP. Er macht etwas, was meine vollkommene Zustimmung hat.“ Derzeit ist eine Fusion rechtlich nicht möglich. Das will Töchterle ändern: Der Hochschulplan soll den Rahmen für Fusionen schaffen.

Das Land Oberösterreich, das seit Jahren verbissen und vergeblich um die Genehmigung für eine eigene, öffentlich finanzierte Med-Uni kämpft, kommt da mit seinem Vorschlag gerade richtig: Landeschef Josef Pühringer (ÖVP) kann sich auch die Eingliederung der gewünschten Med-Uni als Fakultät in die Uni Linz vorstellen. Töchterle hat zugesagt, sich das Konzept „anzusehen“.

Auf einen Blick

Die Medizin-Universitäten wurden auf Betreiben der schwarz-blauen Bundesregierung im Jahr 2004 auf Grundlage des Universitätsgesetzes 2002 aus ihren bisherigen Stammuniversitäten ausgegliedert. Größte Medizin-Uni des Landes ist die ans Wiener AKH angeschlossene Med-Uni Wien mit rund 7500Studierenden und rund 5000Mitarbeitern. An der Med-Uni Graz studieren rund 4200 künftige Ärzte, an der Med-Uni Innsbruck sind es rund 2800 Studenten.

Medizinische Studien werden auch an der privaten Paracelsus-Uni in Salzburg angeboten; die Privat-Uni Umit in Hall/Tirol hat sich auf Gesundheitsstudien spezialisiert. In Niederösterreich ist eine private Med-Uni in Planung. Oberösterreich hingegen drängt seit Jahren vergebens auf eine öffentliche Medizin-Uni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2011)

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