Feinstaub: Zigaretten gefährlicher als Verkehr

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Feinstaub reduziert die Lebenserwartung. Das derzeitige kalte Wetter verschärft das Problem. Am stärksten ist die Belastung aber in geschlossenen Räumen, in denen geraucht wird.

Wien. Die kalte Jahreszeit ist die Hauptbelastungsperiode durch Feinstaub. Betroffen sind derzeit besonders tiefer gelegene Ballungsgebiete im Norden und Osten Österreichs – die Luftqualität hat sich seit Ende Oktober stark verschlechtert. Am stärksten ist die Belastung aber in geschlossenen Räumen, in denen geraucht wird.

1. Was genau ist Feinstaub und welche gesundheitlichen Folgen kann er haben?

Feinstaub („Particulate Matter“, PM) ist der Staub, den man nicht sieht. Er ist zu klein, seine Teilchen sind im Durchschnitt zehn Mikrometer groß (PM10), das ist ein tausendstel Millimeter. Größere Partikel werden von den Schleimhäuten in Nase, Mund und Rachen abgefangen, die kleineren kommen durch, am weitesten schaffen es die ganz kleinen, sie messen nur 2,5 Mikrometer (PM2,5) und dringen bis in die Verästelungen der Lunge vor. Dort richten sie Schaden an, von Atemwegsbeschwerden über asthmatische Anfälle bis hin zum Lungenkrebs. Die stärksten Auswirkungen hat dieser Staub jedoch auf das Herz und den Kreislauf, sein Inhalieren kann sogar nachweislich zu Herzinfarkten führen.

2. Kann Feinstaub für jeden gefährlich werden oder nur für Personen mit Lungenproblemen?

Besonders gefährdet sind neben vorbelasteten Menschen mit Lungenerkrankungen Kinder, da heranwachsendes Lungengewebe am anfälligsten ist. Grundsätzlich stellt Feinstaub aber eine Gefahr für jeden dar.

3. Welchen Einfluss hat die Feinstaubbelastung auf die Lebenserwartung?

EU-weit sterben jährlich 65.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Feinstaub – er verkürzt die durchschnittliche Lebenszeit jedes Europäers um 8,6 Monate. Für Österreich hat das Umweltbundesamt für 2003 und 2004 ähnliche, aber regional differenzierte Werte erhoben: Die Lebenserwartung leidet in Salzburg am geringsten (7 Monate). Klagenfurt (9), Innsbruck (10), St.Pölten (11) und Wien (12) liegen im Mittelfeld, in Linz gehen 14 Monate verloren, in Graz 17.

4. Was ist der Hauptgrund für eine erhöhte Feinstaubkonzentration in der Luft?

Die Hauptursachen für Feinstaub sind Emissionen und die Wetterlage. 2009 wurden insgesamt etwa 35.100 Tonnen emittiert, ein Drittel durch die Industrie, ein Fünftel durch den Verkehr (vor allem von dieselbetriebenen Fahrzeugen) und ein Viertel durch den „Kleinverbrauch“, das sind die händisch betriebenen Öfen, die mit Holz und Kohle beheizt werden. Von ihnen bzw. von der Strenge der Winter hängt sehr viel ab. Von 1990 bis 2009 sind die Gesamtemissionen in Österreich gesunken. 2010 schnellten sie hoch: Der Winter war lang und hart. Besonders ungünstig ist die Wetterlage der vergangenen Tage – ein sogenanntes Inversionswetter: Bodennahe kalte Luft liegt unter einer warmen Schicht und kann nicht aufsteigen. Dadurch wird die Luft nicht durchmischt und kann sich nicht reinigen. Eine Verbesserung der Situation könnte ein Wetterumschwung mit starkem Wind und viel Niederschlag bringen. Eine Änderung der Großwetterlage ist in den nächsten Tagen aber nicht in Sicht, es bleibt trocken und kalt.

5. Welchen Einfluss hat Zigarettenrauch auf die Feinstaubkonzentration in Innenräumen?

Auch wenn die Feinstaubbelastung in der Außenluft derzeit am heftigsten diskutiert wird, in geschlossenen Räumen – sofern dort geraucht wird – ist sie um ein Vielfaches höher. Besonders dramatisch ist die Situation in Autos. In den europäischen Staaten, in denen für Lokale, öffentliche Gebäude etc. ein absolutes Rauchverbot verhängt wurde, ist die Herzinfarktsterblichkeit innerhalb eines Jahres um acht bis 20 Prozent gesunken.

6. Wie kann man sich im Alltag vor Feinstaubbelastungen schützen?

Empfindliche Personen sollten verkehrsintensive Gebiete meiden, dieser Tage im Freien keinesfalls Sport betreiben und sich von geschlossenen Räumen fernhalten, in denen geraucht wird.

7. Wer ist in Österreich für Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung zuständig?

Geregelt sind die Grenzwerte für Feinstaub im Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-Luft). Im Sommer 2010 wurde es novelliert, den Landeshauptleuten wurden flexiblere Befugnisse eingeräumt. Wenn es also – wie es derzeit der Fall ist – zu massiven Überschreitungen der Grenzwerte kommt, müssen Maßnahmen von den Landeshauptleuten gesetzt werden, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen. Doch auch das Umweltministerium kann einen Beitrag zur Feinstaubreduktion leisten. Mit der Novelle des IG-Luft wurden beispielsweise die theoretischen Grundlagen für Umweltzonen – als Maßnahme zur Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte – geschaffen. In einer Verordnung des Bundes muss die Kennzeichnung und Einstufung von Kraftfahrzeugen nach Emissionswerten bundesweit einheitlich geregelt werden. Die Einstufung wird mit entsprechenden Plaketten (grün, orange, rot) zugeordnet. Das wiederum ist dann die Basis für eigene Länderverordnungen. Wo es zu viel Feinstaubbelastung gibt, können Landeshauptleute dann etwa Fahrverbote in Umweltzonen erlassen – zum Beispiel für rot oder je nach Überschreitung auch für orange gekennzeichnete Autos.

Auf einen Blick

Feinstaub-Grenzwerte. Laut dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-Luft) darf es pro Jahr maximal 25 Tage mit zu hoher Feinstaubbelastung geben, der EU-Grenzwert liegt bei 35 Tagen. Derzeit hält allein Wien schon bei 61 Tagen.

Hohe Konzentration: Unter dem „PM10 Wert“, mit dem die Feinstaubkonzentration gemessen wird, versteht man die Konzentration von Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Seit Sonntag gab es in Wien keine Grenzwertüberschreitungen, aktuell ist nur an einer Messstelle der zulässige Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm/m3 knapp überschritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2011)

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