Widersprüchlicher Heimwehrführer

Objektivität muss man im ORF manchmal durchboxen: etwa eine Doku über Ernst-Rüdiger Starhemberg.

TV-KRITIK

Einer interessanten, weil widersprüchlichen Schlüsselfigur der Ersten Republik widmete sich am Dienstag die TV-Dokumentation „Ernst-Rüdiger Starhemberg – Faschist und Patriot“. Der oberösterreichische Fürst (1899–1956) war eine Zeit lang als Führer der österreichischen Heimwehr der mächtigste Mann der Republik. „Ein Soldat“, urteilt die Historikerin Anna-Maria Sigmund, „aber politisch nicht intelligent genug.“ Gemeinsam mit dem früheren ORF-Chefredakteur Walter Seledec hat Sigmund das abenteuerliche Leben dieses Glücksritters nachgezeichnet und auch den heutigen Chef des Hauses, Fürst Georg Starhemberg, auf dem Familienschloss bei Eferding interviewt. Es ist dem ORF-Generaldirektor zu danken, dass er dieses Projekt unterstützt hat, denn die Rahmenbedingungen für die Produktion sollen bei dem zeitgeistigen Mainstream des Küniglbergs nicht die allerbesten gewesen sein.

Die Dokumentation ging der widersprüchlichen Haltung Starhembergs zu den Nationalsozialisten nach, immerhin war der Oberösterreicher an Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle in München 1923 dabei. Später besann er sich um, hoffte auf Österreichs Rettung durch Mussolini und ein ähnliches faschistisches System wie in Italien.

Spannend, wie sich der im Grunde weiche Adlige schließlich von Kurt Schuschnigg völlig kampflos beiseiteschieben ließ, sich jeder weiteren politischen Aktivität enthielt und 1937 verbittert ins Exil ging. Diese Entschlusslosigkeit bleibt auch für Historiker ein Rätsel.

Turbulent blieb sein Leben dennoch. Nach langen Jahren in Argentinien betrieb er die Rückgabe seiner Güter. Eine Welle der Empörung in den SPÖ- und KPÖ-Zeitungen ging durchs Land. Starhemberg siegte vor Gericht, bekam seinen Pass zurück, wollte sich Ende 1955 in Schruns erholen. Georg Auer von der kommunistischen „Volksstimme“ erspähte ihn, zückte den Fotoapparat, Starhemberg ging mit dem Stock auf den Journalisten los, holte aus – und erlag einem Herzinfarkt.

E-Mails an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2011)

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