Cartier: Aus der Ungeheuer Mitte...

Für Lion und Tigresse: Freunde von edlen Raubkatzen kommen auch bei Cartier auf ihre Kosten.

Wenn sie nicht gerade, von Mordsucht heiß, im Kreis lagern, gelten ungezähmte Raubkatzen nicht unbedingt als so gräulich, wie Friedrich Schiller sie in seiner berühmten Ballade gezeichnet hat. Zu Zeiten Balzacs bezeichnete man etwa einen illustren Vertreter der Pariser Gesellschaft als „Lion“, und an seiner Seite trat üblicherweise als feline Schönheit eine „Tigresse“ auf. Vielleicht, um diesen positiven Assoziationen Reverenz zu erweisen, versuchte sich ein paar Jahrzehnte später Louis Cartier erstmals an der Interpretation eines Pantherfells für das von ihm in dritter Generation geleitete Juwelierhaus, dem er mit seiner kreativen Vision ein markantes und bis heute prägendes Profil verlieh.

Allerdings war Louis Cartier kein großer Freund des Figurativen (die Auswüchse des Art déco waren ihm überhaupt zuwider), so blieb die erste „Panthère“ auf eine Abstraktion ihrer Fellzeichnung reduziert. Erst die von ihm selbst als seine Nachfolgerin bestimmte Jeanne Toussaint kreierte Anfang der Dreißigerjahre die erste dreidimensionale Panther-Preziose. Der Erfolg war atemberaubend.

Sammlerstücke.  „Der ‚Goût Toussaint‘ war außergewöhnlich und vereinte Unabhängigkeit mit Eleganz. Wegen ihrer starken Persönlichkeit und ihres eleganten Auftretens wurde Jeanne Toussaint im Haus sogar selbst ‚la panthère‘ genannt“, gerät Pierre Rainero ins Schwärmen. Er muss es wissen, hält er doch als „Directeur du Style“ eine Schlüsselfunktion im Unternehmen und wacht über die Pflege der Archive (sie unterliegen strenger Geheimhaltung und stehen nur den Schmuckdesignern und manchen Forschern offen), die Wahrung der Tradition des Hauses und zugleich die Übersetzung dieser Tradition in neue Kreationen.
Als Tempelwächter möchte Monsieur Rainero, der vor 27 Jahren in der Kommunikationsabteilung zu arbeiten begann und seitdem ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit allen Facetten der Firma vertraut zu machen, dabei keinesfalls bezeichnet werden – das klinge viel zu konservativ und rückwärtsgewandt, meint er und denkt vielleicht an das bekannte Diktum von Gustav Mahler: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

Den Blick nach vorn richteten schließlich sowohl die Toussaint als auch ihr Gönner zeitlebens: „Die Vision, dass ein Juwelierhaus überhaupt einen eigenen Stil haben sollte, geht auf Louis Cartier zurück. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das unter Maisons de Joaillerie ganz unüblich; man folgte großen, vorgegebenen Stilrichtungen“, betont Rainero. Diese ungewöhnliche Herangehensweise sorgte denn auch dafür, dass die Marke im Lauf der Jahre von 15 Königshäusern zum offiziellen Hoflieferanten bestellt wurde; außerdem sammelten einige stilbildende Persönlichkeiten Schmuckstücke von Cartier. „Jeanne Toussaint hat ihre Raubkatzen immer maßgeschneidert für illustre Kundinnen modelliert, allen voran natürlich die Herzogin von Windsor“, so Pierre Rainero. „Nach ihrem Vorbild wollten plötzlich die reichsten und elegantesten Vertreterinnen der weltweiten Café Society ihre eigenen Raubkatzen, ob Panther oder Tiger.“

Mond und Sterne. Eine weitere Berühmtheit mit Faible für Cartier war Jean Cocteau, der stets mindestens einen Trinity-Ring am kleinen Finger trug und von dem Juwelier den Griff seines Schwerts als Mitglied der Académie française anfertigen ließ. Und der seinem liebsten Preziosenlieferanten einen eigenen Zweizeiler auf den Leib dichtete, in dem er von in Gold gefassten Diamanten als dem in funkelnde Scherben zerbrochenen Mond auf glänzenden Sonnenstrahlen schwärmte.
Doch selbst wenn er derlei Anekdoten nicht ohne Stolz referiert, freut sich Pierre Rainero auch über die prosperierende Gegenwart: „Wissen Sie, bis in die Achtzigerjahre wurde Schmuck oft eher als Wertanlage gesehen und nicht so sehr wegen seiner Schönheit geschätzt. Das hat sich aber verändert, und er wird heute gerade als Ausdruck des persönlichen Stils gesehen. Das macht diese Zeit für uns Juweliere so spannend.“

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