Die langsame Wiederkehr der „Normalität“: Wie Wien dauerhaftes Zuhause schafft

(c) Dapd (Timur Emek)
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48 ehemalige Obdachlose leben im „Haus Leo“. In dieser Einrichtung können sie ein Leben lang bleiben. Sie werden 24 Stunden lang betreut.

Wien. Über zwanzig Jahre lang schlief Stanislaus Nacht für Nacht in der Kajüte eines Schiffes. Denn mit dem Tod seiner Mutter verlor der ehemalige Naschmarkt-Verkäufer von einem Tag auf den anderen auch sein Dach über dem Kopf. Bei Essensausgaben wurden schließlich Streetworker auf ihn aufmerksam. Und als im Mai 2011 ein Platz im „Haus Leo“ frei wurde, verschaffte ihm eine Sozialarbeiterin seine eigenen vier Wände.

Stanislaus ist einer der 48 Männer, die im sozial betreuten Wohnheim „Haus Leo“ im 17. Bezirk leben. Sie alle waren lange Zeit obdachlos – aus verschiedensten Gründen. In dieser Einrichtung können sie ein Leben lang bleiben. „Viele sind alkoholabhängig, etwa zehn Prozent sind drogensüchtig. Aber es gibt auch Bewohner, die psychisch auffällig sind“, sagt Karin Grinberg, Teamleiterin im „Haus Leo“.

Unter den Bewohnern sind Menschen, die sich in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe kaum oder gar nicht anpassen konnten. „Hier werden sie 24 Stunden lang betreut“, so Grinberg.

180 Euro Miete im Monat

Trotzdem sollen die Bewohner auch lernen, selbstständig zu sein. Putzen, waschen, kochen – das erledigen sie alles selbst. „In den letzten drei Jahren haben wir es sogar geschafft, drei Bewohner wohnfähig zu machen. Zwei Männer haben eine Gemeindewohnung erhalten, einer ist zu seiner Familie gezogen“, sagt Grinberg.

Einen kleinen Beitrag müssen die Bewohner allerdings auch im „Haus Leo“ bezahlen: Je nach Zimmergröße 180 bis 200 Euro im Monat. Gedeckt wird er durch Mindestsicherung oder Pensionsgeld der Männer – denn „Arbeit hat leider keiner der Bewohner“, sagt Grinberg.

Die Männer wohnen in Gemeinschaften von je sechs bis zehn Personen. „Ich bin oft selbst überrascht, wie gut das Zusammenleben funktioniert“, sagt Grinberg. Dass es zu Streitigkeiten oder sogar Polizeieinsätzen komme, sei selten. Das könnte auch daran liegen, dass es ein Rückzugsgebiet gibt: Jeder bekommt ein Einzelzimmer, nur Bad und Küche werden geteilt. Den Bewohnern stehen aber auch ein Aufenthaltsraum, ein Hobbyzimmer und ein medizinischer Betreuungsraum zur Verfügung.

Das „Haus Leo“ ist eine der zwanzig Einrichtungen für dauerhaftes Wohnen des Fonds Soziales Wien. 1076 Wohnplätze gibt es insgesamt in der Hauptstadt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2011)

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