Erdogan wirft Franzosen Völkermord in Algerien vor

Türkischer Botschafter aus Paris abgereist
Türkischer Botschafter aus Paris abgereist (c) AP (Michel Euler)
  • Drucken

Der Streit zwischen Paris und Ankara um das Genozid-Gesetz verschärft sich: Der türkische Premier Erdogan wirft Frankreichs Präsidenten Sarkozy vor "mit dem Hass auf den Muslim und den Türken zu spielen".

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat im Konflikt mit Frankreich um die Einstufung der Massenmorde an Armeniern im Osmanischen Reich den Ton weiter verschärft. Am Freitag warf er den Franzosen einen Völkermord in Algerien vor. 15 Prozent der algerischen Bevölkerung seien zwischen 1945 und 1962 von Franzosen massakriert worden, so der Premier.

Erdogan beschuldigte den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, aus wahltaktischen Gründen hemmungslos "mit dem Hass auf den Muslim und den Türken zu spielen". Der Parlamentsbeschluss vom Vortag, der die Leugnung eines Völkermordes an den Armeniern unter Strafe stellen soll, zeige, dass "Rassismus, Diskriminierung und Islamophobie gefährliche Dimensionen in Frankreich und Europa angenommen haben", sagte der türkische Regierungschef.

"Wenn Sarkozy selbst nicht weiß, dass es einen Genozid in Algerien gegeben hat, dann sollte er doch seinen Vater Pal Sarkozy fragen, der als Fremdenlegionär dort war. Ich bin mir sicher, dass Pal Sarkozy seinem Sohn viel über die Massaker berichten kann", so Erdogan. Der Vater von Sarkozy warf die Vorwürfe am Freitag zurück. "Ich war nie in Algerien", sagte Pal Sarkozy.

Türkischer Botschafter reist aus Protest ab

Zuvor hatte der türkische Botschafter Tahsin Burcuoglu Paris auf unbestimmte Zeit verlassen - als Reaktion auf das französische Völkermord-Gesetz. Burcuoglu werde zu Mittag im Außenministerium in Ankara zu Konsultationen erwartet, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi.

Die französische Nationalversammlung hatte am Vortag in erster Lesung das Gesetz angenommen, das die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich unter Strafe stellen soll. Ankara hat deshalb die militärische Kooperation mit Frankreich suspendiert und die wirtschaftlichen Beziehungen eingeschränkt.

Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan verfügte außerdem die Aussetzung bilateraler Besuche. Die Entscheidung des Parlaments in Paris habe dem türkisch-französischen Verhältnis "sehr schwere und irreparable Wunden" zugefügt, sagte der Regierungschef in Ankara.

Sprecher der etwa eine halbe Million Menschen umfassenden armenischen Diaspora in Frankreich brachten ihre Freude über den Gesetzesbeschluss zum Ausdruck. Es handle sich um eine wichtige Etappe bei der Anerkennung des Völkermordes, erklärte der Präsident des Dachverbandes armenischer Vereine, Alexis Govciyan.

Streit um Massaker an Armeniern

Armenien und ein Großteil der internationalen Forschung gehen davon aus, dass die Regierung des Osmanischen Reiches in den Jahren 1915 bis 1917 mit Massakern und Todesmärschen die Volksgruppe der Armenier auslöschen wollte. Von bis zu 1,5 Millionen Opfern ist die Rede.

Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück. Sie setzt die Zahl der Opfer mit 500.000 Menschen wesentlich niedriger an und argumentiert, dass die Armenier "kriegsbedingt" starben.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

HUNGARY PAL SARKOZY
Außenpolitik

Vater von Sarkozy: "Ich war nie in Algerien"

Türkeis Ministerpräsident Erdogan wirft Frankreich einen "Völkermord" in Algerien vor, bei dem auch der Vater von Präsident Sarkozy dabei gewesen sein soll. Dieser findet die Vorwürfe "lächerlich".
Türkei setzt Militär-Zusammenarbeit mit Frankreich aus
Außenpolitik

Türkei stoppt militärische Zusammenarbeit mit Frankreich

Die Nationalversammlung in Paris stimmt für ein Gesetz, das die Leugnung des Genozids an den Armeniern unter Strafe stellt. Der türkische Premier Erdogan spricht von "irreparablen Wunden" im Verhältnis zu Frankreich.
Leitartikel

Ein Genozid ist ein Genozid

Der türkische Präsident droht wieder in Richtung Europa. Es geht um die Leugnung des Völkermords an den Armeniern in der Türkei vor bald 100 Jahren. Ein Randthema? Nicht für unsere Glaubwürdigkeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.