Jugendliche Anhänger aus dem ganzen Land agieren als engagierte Wahlkampfhelfer für den Präsidentschaftskandidaten. Bei den Vorwahlen in New Hampshire steuerte Paul auf den zweiten Platz zu.
Manchester/Vier. Überall in New Hampshire künden blaue Banner an den Autobahnbrücken von der „Ron-Paul-Revolution“, von Frieden, Freiheit und Prosperität – dem Dreiklang eines Amerika, das die Vision der Gründerväter widerspiegelt. Der 76-jährige Kongressabgeordnete, als Schutzpatron der sakrosankten Verfassung verehrt, gilt seinen jugendlichen Anhängern, die aus dem ganzen Land in den Nordosten der USA geströmt sind, als neuer politischer Messias: Was Barack Obama vor vier Jahren war, das ist nun die libertäre Galionsfigur aus Texas – nur radikaler als Pazifist und prinzipientreuer Verfechter der Grundfreiheiten.
Gut möglich, dass ihn seine Fans sogar zu einem Antreten als unabhängiger Kandidat bei den Präsidentenwahlen im Herbst antreiben, um so seine politische Mission zu erfüllen. Wie anno 1992 Ross Perot würde Ron Paul in erster Linie dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber den Sieg verhageln. Es ist ein Horrorszenario für das Establishment der Grand Old Party, das sich tunlichst bemüht, den störrischen, leicht kauzigen Alten nicht zu sehr zu verstören.
Bei den Vorwahlen in New Hampshire steuerte Paul in der Nacht auf Mittwoch mit Schützenhilfe der unabhängigen Wähler auf den zweiten Platz zu. Innerhalb von zwölf Stunden, so versicherte er seinen Fans, werde er bereits in South Carolina seinen Feldzug weiterführen. Paul hat sich auf eine lange Kampagne eingestellt. Seine enthusiastischen Anhänger folgen ihm wie Andrea Desani und Pam Berlinghoff aus New York als Jünger überallhin.
Die Auffahrt zum Saint Anselm's College in Manchester, Schauplatz einer TV-Debatte, ist dicht beflaggt mit einem Schilderwald. In Zahl und Aufmachung ragen die Ron-Paul-Poster heraus. Wie Groupies skandieren mehrere junge Frauen hinter einer Absperrung: „Ron Paul for President.“ Einen einsamen, perplexen Obama-Fan fahren Paul-Anhänger kaltschnäuzig an: „Wie ist das denn nun mit den Grundrechten, dem Krieg und den Drohnenangriffen?“
Frustrierte Obama-Wähler
Vor dem Rathaus in Manchester schwingen fünf Studenten der Quinnipiac-University in Connecticut an der Kreuzung Schilder für ihren Kandidaten. „Die Leute hupen aus Zustimmung, sie zeigen mit den Daumen nach oben“, erzählt Alex Smith. Seine Eltern, Obama-Wähler, habe er schon dazu bewegt, diesmal für Paul zu stimmen. Unter den Ron-Paul-Fans finden sich viele frustrierte Obama-Wähler, als College-Absolventen suchen sie jetzt einen Job wie Susan Landers aus Florida oder ihr Freund aus Oklahoma. „Obama hat uns im Stich gelassen. Unser Geld ist nichts mehr wert. Die Botschaft Ron Pauls hat Zukunft“, sagt Desani und hüpft dabei vor Begeisterung. „Die Regierung darf sich nicht in unsere Belange einmischen.“ Einer ruft: „Für eine neue Weltordnung.“ Dass kaum einer von Pauls Gesetzentwürfen Realität wurde, ficht sie nicht an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2012)