"Griechenland bedroht Stabilität mehr als S&P-Herabstufung"

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Die Verhandlungen zwischen Bankenvertretern und der Regierung in Athen über einen Schuldenschnitt sind in einen Machtkampf ausgeartet. Ein weiteres Hilfspaket in der Höhe von 130 Milliarden Euro droht zu platzen.

Wien/Wb/Ag. Griechenland steht vor der schwierigsten und auch entscheidenden Phase seiner Finanzprobleme. Da die Verhandlungen zwischen Bankenvertretern und der Regierung in Athen über die Bedingungen eines 50-prozentigen Forderungsverzichts privater Gläubiger festgefahren sind, droht das damit verknüpfte weitere Hilfspaket der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Höhe von 130 Milliarden Euro zu platzen. Deutschland hat sich bereits am Montag darauf festgelegt, dass es an dieser Verknüpfung festhalten werde. Der britische Finanzminister George Osborne wies darauf hin, dass die Ungewissheit über eine Lösung der griechischen Schuldenprobleme die Stabilität Europas derzeit mehr bedrohe als die Herabstufung von neun Euroländern durch Standard & Poor's (S&P).

Eigentlich sollten die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern diese Woche abgeschlossen werden. Doch seit Ende vergangener Woche, sind die Gespräche unterbrochen. Statt sich anzunähern, sind die Beratungen in ein Machtspiel ausgeartet. Auf der einen Seite verlangen die Banken zusätzliche Zugeständnisse der griechischen Regierung und neue Sicherheiten der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf der anderen Seite droht die griechische Regierung damit, alle Gläubiger durch eine gesetzliche Regelung zum Schuldenerlass zu zwingen. In die Verhandlungen eingebundene Bankenvertreter berichten, dass die Regierung in Athen offen mit einem erzwungenen Schuldenschnitt gedroht habe. Das sei der Grund gewesen, warum die Gespräch auf Eis gelegt worden seien. Insgesamt geht es um einen Erlass von 100 Milliarden Euro, der im Rahmen des letzten EU-Gipfels im Dezember vereinbart wurde. Schon damals wurden Bankenvertreter in die Entscheidung eingebunden.

Die griechische Regierung muss damit rechnen, dass sie bereits im März zahlungsunfähig wäre, wenn die nächsten Staatsanleihen in der Höhe von 14,5 Milliarden Euro auslaufen. Das wissen auch die Vertreter der Banken. Sie wissen aber auch, dass einige Investoren mehr als den nun geplanten 50-prozentigen Forderungsverzicht abschreiben müssten, wenn das Land tatsächlich bankrott ginge. Problematisch ist, dass die privaten Investoren unterschiedliche Interessen verfolgen.

Für einige von ihnen wäre ein Schuldenschnitt von Vorteil, sie würden damit zumindest einen Teil ihrer Investitionen zurückerhalten. Andere Banken und vor allem Hedgefonds haben ihre griechischen Anleihen mit Kreditausfallsversicherungen (CDS) abgesichert. Sie spekulieren damit, dass sie im Falle einer griechischen Pleite mehr Geld zurückerhalten würden als durch einen freiwilligen Schuldenschnitt. Die CDS, die ebenfalls auf den Finanzmärkten gehandelt werden, haben in den letzten Tagen deutlich an Wert zugelegt, was darauf hinweist, dass Spekulanten bereits auf einen Ausfall der griechischen Staatsanleihen setzen. Wie aus Verhandlerkreisen verlautet, drängen denn auch mehrheitlich Hedgefonds, die bis zu 70 Milliarden Euro an griechischen Papieren halten, darauf, dass sie von der Regierung in Athen bessere Konditionen bekommen. Der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, warnte bereits die Banken, sie sollten ihre Forderung an Griechenland nicht „überziehen“.

Troika-Urteil nächste Woche

Am heutigen Dienstag werden Experten der Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB in Athen erwartet. Sie werden die Reformfortschritte und Sparanstrengungen der griechischen Regierung unter die Lupe nehmen. Erst am Freitag werden laut griechischer Regierungskreise die Chefunterhändler der drei Organisationen über eine Auszahlung der nächsten Hilfstranche beraten. Ihre Anreise wurde wegen der ausstehenden Einigung mit den Banken verschoben.

Es wird erwartet, dass die Troika die mangelnden Fortschritte bei der Sanierung des Staatshaushalts kritisiert. Sowohl die Privatisierung als auch die Verwaltungsreform stockt. Verweigern die internationalen Geldgeber die Auszahlung der nächsten Tranche von fünf Milliarden Euro, schlittert der griechische Staat in einen akuten Liquiditätsengpass. Dieser könnte sich bis zum Sommer zuspitzen. Im Falle einer Pleite müssten auch die Europartner auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2012)

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