Song Contest: Jüdischer Sänger tritt für die Türkei an

Song Contest: Jüdischer Sänger tritt für die Türkei an
Song Contest: Jüdischer Sänger tritt für die Türkei an(c) 2010 Mu-Yap/Can Bonomo
  • Drucken

Das türkische Staatsfernsehen TRT will mit der Wahl das Image des Landes verbessern. Online formiert sich Widerstand: "Wo sind die türkischen Sänger?".

Haben Sie schon mal etwas von Can Bonomo gehört? Nein, dann geht es Ihnen ähnlich wie vor kurzem noch vielen Türken. Seit der Bekanntgabe des türkischen Staatsfernsehens TRT den 24-jährigen Sänger für den Eurovision Song Contest in Mai in Baku, Aserbaidschan aufzustellen, steht er plötzlich in den Medien. Und dies auch aus einem anderen Grund: Denn Bonomo ist Jude.

Mit der Wahl des einer Minderheit angehörigen Künstlers - In der Türkei leben nur rund 26.000 Menschen mit jüdischen Glaubensbekenntnis - will das für die Entscheidungsfindung der Kandidaten verantwortliche Staatsfernsehen TRT das Image der Türkei in Europa verbessern. Schickte man in früheren Jahrzehnten der Eurovision tendenziell brave Schlagersänger in den Wettbewerb, bemüht man sich seit einigen Jahren progressivere Akteure einzusetzen. Mit der Wahl von Bonomo geht TRT freilich noch weiter, da der 24-Jährige im Vergleich mit den vorangegangenen Song-Contest-Teilnehmern relativ unbekannt ist.

Song-Contest-Teilnahme: Künstler überrascht

Der Sänger aus dem westtürkischen Izmir war ob der Entscheidung des Staatssenders überrascht: "Normalerweise nimmt TRT viel erfahrenere Musiker", sagte er in einer ersten Reaktion. "Ich mache keine konventionelle Popmusik."

Kritik an seiner Song-Contest-Teilnahme kommt von einigen arrivierten türkischen Musikern wie etwa Sängerin Hülya Avsar. Sie kenne Bonomo nicht einmal.

Widerstand der Medien und Twitter-User

Wesentlich härter, weil ethnisch bzw. antisemitisch geprägt, fällt die Kritik einiger Medien und Internet-User aus. Eine islamistische Zeitung schrieb etwa: "Ein Jude wird die Türkei vertreten". Und warf in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob Bonomo wirklich ein echter Türke sei. Auch auf Twitter formiert sich Wiederstand: "Wo sind eigentlich die türkischen Sänger?" fragte etwa ein Kritiker.

"Türkischer Jude": Künstler reagiert auf Kritik

Bonomo nahm dazu Stellung: "Ich bin ein türkischer Jude, meine Religion ist meine Sache", sagte der 24-Jährige. Er sei ein sephardischer Jude, also Nachfahre jener Juden, die im 15. Jahrhundert vor der Inquisition in Spanien flohen und vom Osmanischen Reich aufgenommen wurden. "Meine Vorfahren leben seit mehr als 500 Jahren diesem Land", sagte der Sänger. "Wir sind mit türkischer Kultur aufgewachsen, deshalb kann ich lediglich türkische Kultur in eine Kunstform einbringen, sonst keine." Zudem glaube er nicht, "dass Kunst eine Religion oder ethnische Zugehörigkeit hat".

Europarat-Vorsitzender "schämt sich"

Auch der Vorsitzende der Parlamentarischen Vereinigung des Europarats, Mevlüt Cavusoglu, äußerte sich zu den Anfeindungen gegen Bonomo: Er schäme sich dafür, wie mit dem Mann umgegangen werde. Schließlich habe die religiöse Toleranz in der Türkei eine lange Tradition: "Jeder Türke, egal wer er ist, kann die türkische Republik vertreten", sagte Cavusoglu.

Mit welchem Lied Bonomo in Baku antreten wird, ist noch unklar. In wenigen Wochen soll der Sänger TRT drei Lieder präsentieren. Dann soll auch über die Sprache entschieden werden, Türkisch und auch Englisch stehen dann zur Auswahl.

(APA/Red)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Salon

"Ist das ein echter Türke?" Jude vertritt Türkei beim Song Contest

Musikshow.:Der Alternativ-Pop-Sänger Can Bonomo vertritt die Türkei beim großen Wettsingen in Aserbaidschan. Dass er Jude ist, stört viele.
Song Contest
Pop

Song Contest: Kandidaten für Vorentscheid stehen fest

Die Wiener Formation Mary Broadcast Band erhielt eine Wildcard. Sie kämpft am 24. Februar gegen Conchita Wurst und acht weitere Kandidaten um die Teilnahme am Song Contest 2012 in Baku.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.