Putin: Der Prophet des Staatskapitalismus

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Premier Wladimir Putins Allheilmittel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Russlands: Obwohl Putin das unter Kreml-Kontrolle stehende System als nicht konkurrenzfähig einstuft, predigt er dennoch mehr Staat.

Moskau. An Widerspruch hat Russlands Wladimir Putin im Laufe seiner zwölf Jahre an der Macht – erst als Präsident, dann als Premier – so einiges geerntet. Die Reaktionen aber, die er mit seinem aktuellen großen Zeitungsartikel zu seiner künftigen Wirtschaftsstrategie auslöste, hätten vernichtender nicht sein können.

Von einem „intellektuellen Invaliden des Kalten Krieges“ spricht etwa die russische Zeitung „Kommersant“. Mindestens so hart geht auch Ex-Zentralbankchef und Wirtschaftsprofessor Sergej Aleksaschenko in der „Financial Times“ mit ihm ins Gericht: „Das ist kein Putin 2.0, das ist nicht einmal ein Putin 1.0 – das ist ein Putin 0.1“.

Am Montag hatte der Premier, der sich im März in den Kreml zurückwählen lässt, in einem zweiseitigen Elaborat dargelegt, welchen wirtschaftlichen Ausweg er für das Land definiert hat. Dass das bisherige System – für das er verantwortlich zeichnet – keinen fairen Wettbewerb, stattdessen eine „systemische Korruption“ aufweise und nur vom anfälligen Rohstoffsektor lebe, wird freimütig einbekannt. Auch gesteht Putin ein, dass die „Mehrheit der integrierten Strukturen“, sprich die unter seiner Herrschaft erfolgte Bündelung der nationalen Ressourcen unter Staatskontrolle, „global nicht konkurrenzfähig geworden ist“.

Tiefe Rezession

Umso bemerkenswerter ist dann aber, dass Putin als Heilmittel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit abermals für den Ausbau des Staatskapitalismus plädiert. Bevor es zu einer Privatisierung kommen könne, müssten die Staatsunternehmen in den Bereichen der Hochtechnologie, der Infrastruktur und der Atomkraft gestärkt werden, schreibt er. Privates Kapital werde nicht freiwillig in neue Sektoren fließen, in denen mit erhöhten Risken gerechnet werden müsse.

Nach jahrelangen Traumwachstumsraten war die russische Rohstoffwirtschaft in den Jahren 2008 und 2009 in eine tiefe Rezession geschlittert. Aus der Erkenntnis heraus, dass selbst ein hoher Ölpreis mittlerweile nur noch zu etwa vier Prozent Wachstum reicht, weil Investoren aufgrund fehlender Rechtsstaatlichkeit fernbleiben, hatte Noch-Kremlchef Dmitrij Medwedjew den Aufbau vertrauenswürdiger staatlicher Institutionen zu seinem Credo gemacht.

Von der Notwendigkeit eines solchen Schrittes zeugen auch die Aussagen der russischen Vertreter beim vorwöchigen Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Die „Rückständigkeit und Beschränktheit“ des jetzigen politischen Systems habe zu einer Monopolisierung der Wirtschaft und zur Korruption geführt, sagte etwa Vizepremier Igor Schuwalow. Solche Worte sind offenbar für ein westliches Auditorium bestimmt. Putin selbst nämlich weist der institutionellen Reform in seinem Text eine untergeordnete Rolle zu und hält auch den Schluss, es handle sich um einen „wuchernden Staatskapitalismus“, für fehlerhaft.

Andere Bric-Staaten wachsen

Der Staatskapitalismus sei die Ursache dafür, dass Russlands Wirtschaft 2008–2011 unter dem Strich überhaupt nicht gewachsen sei, während die anderen Bric-Staaten (Brasilien, Indien, China) zwischen elf und 31 Prozent Wachstum aufwiesen, meint Oleg Vjugin, vormals Chef der Bankenaufsicht und heute Privatbanker. Und Sergej Guriev, Rektor der Moskauer New Economic School, sekundiert: Das Management der bevorzugten Staatsunternehmen habe den Staat für sich vereinnahmt. Sie seien ineffizient und heute so groß geworden, „dass es schwerfällt, zwischen ihnen und dem Staat selbst zu unterscheiden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2012)

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