Griechen wollten EU-Geld für Grenzzaun

Griechen wollten EUGeld fuer
Griechen wollten EUGeld fuer(c) REUTERS (STRINGER)
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Athen erhält Millionenbeträge aus dem EU-Budget für die Reform seines Asylwesens, doch die Dinge bessern sich aus eigenem und fremdem Verschulden nicht.

Brüssel. Im Gespräch mit der „Presse“ und anderen internationalen Medien bestätigte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Dienstag, dass die griechische Regierung um eine EU-Subvention für den Bau des umstrittenen Zauns zur Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze mit der Türkei angesucht hat.

„Es gibt so viele andere Dinge, die sie in Griechenland tun müssen, dass der Bau einer Mauer nicht die wirksamste Maßnahme ist“, sagte Malmström. „Die Kommission hat die Tradition, keine Mauern zu finanzieren. Wir finden, dass sie eher niedergerissen werden sollten“, fügte sie hinzu. Aus diesem Grund habe Brüssel auch Anträge Spaniens um EU-Geld für den Bau der Grenzanlagen in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla abgewiesen.

Malmström kritisierte die griechischen Behörden scharf für ihr Versagen, das Asylwesen auf einen europäischen Standard zu bringen. „Die humanitäre Situation in den Asylzentren ist weiterhin schrecklich“, sagte sie. Am Geld mangelt es ausnahmsweise nicht: Allein in den Jahren 2007 bis 2010 hat Griechenland aus vier EU-Fördertöpfen für Asyl- und Zuwanderungspolitik insgesamt 215,5 Millionen Euro erhalten. Heuer hat Athen Anspruch auf weitere 89,8 Millionen Euro. „Ich bin aber keineswegs zufrieden mit den Reformen“, erklärte Malmström.

„Wir trinken aus dem Urinal“

Aus diesem Grund werde kommende Woche eine Gruppe von Kommissionsbeamten nach Griechenland reisen, um den Behörden unter die Arme zu greifen. Im Frühjahr will sich die Kommissarin selbst ein Bild machen.

Schon im vergangenen September veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen Bericht über das griechische Asylwesen. In den vier wichtigsten Flüchtlingslagern an der griechisch-türkischen Grenze herrschten unmenschliche Zustände. „Es gibt keinen Strom und kein Wasser. Wir trinken aus dem Urinal“, sagte zum Beispiel ein Iraker. Im Lager Tychero müssen die Flüchtlinge auf dem Betonboden schlafen, nur mit Pappendeckeln als Unterlage. Griechische Aufseher bestätigten gegenüber Human Rights Watch, dass die Insassen des Asylantenlagers in Plastikflaschen urinieren müssen, weil sie keinen Zugang zu funktionierenden Toiletten haben.

Die Abgründe des griechischen Asylwesens werden durch die Schuldenkrise natürlich verschärft, doch die meisten Missstände gibt es schon seit Jahrzehnten. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates zum Beispiel hat Griechenland schon im Jahr 1997 gemahnt. Passiert ist seither nichts.

Mitschuld des Nordens

Ganz schuldlos sind die anderen EU-Staaten aber nicht an dieser Misere. Sie bestehen nämlich weiterhin darauf, dass in Europa in Sachen Asyl die Regeln der „Dublin-II“-Verordnung gelten. Sie besagen, dass jenes Land für einen Asylwerber zuständig ist, in dem er erstmals Boden der EU betritt. Die meisten Flüchtlinge kommen über Europas Südostflanke; 75 Prozent der Aufgriffe illegaler Einwanderer finden in Griechenland statt.

Erst unlängst, beim informellen Innenministerrat in Kopenhagen vor wenigen Tagen, wehrten die Minister den Vorschlag von Kommissarin Malmström ab, die Asylströme gleichmäßiger auf die einzelnen Staaten zu verteilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2012)

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