Ein frischer Blick auf Klimt

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"Klimt persönlich" heißt der außergewöhnliche Beitrag des Leopold Museums zum Klimt-Jahr. Direktor Tobias G. Natter, Managing Director Peter Weinhäupl und Sammlungsleiter Franz Smola im Gespräch.

Unter seiner Federführung hat der neue museologische Direktor Tobias G. Natter gemeinsam mit Peter Weinhäupl und Franz Smola die Ausstellung „Klimt persönlich“ kuratiert. Sie verstehen ihren Jubiläumsbeitrag vor allem als wichtigen Überblick, der sich nicht nur auf Einzelaspekte konzentriert, sondern Klimts Werk von Beginn der Sezessionszeit an, ganz nah am Künstler selbst erlebbar macht.

Ganz Wien stürzt sich heuer in das Klimt-Jahr. Es stellt sich dabei die Frage, ob sich Klimt und seinem Werk immer noch neue Facetten abringen lassen?

Tobias Natter: Es gibt die Meinung, die „goldene Zitrone“ Klimt sei ausgequetscht. Das glauben wir jedoch überhaupt nicht. Wir gehen davon aus, dass jedes Jahrzehnt seinen eigenen Klimt neu entdeckt – und wir werfen mit unserer Ausstellung einen frischen Blick auf Klimt. Das wird viele überraschen. Peter Weinhäupl: Ein Ausgangspunkt waren die vielen Postkarten, die Klimt an Emilie Flöge geschrieben hat. Professor Leopold hat sie vor circa zehn Jahren ersteigert. Die wurden noch nie in ihrer Gesamtheit ausgestellt. Also haben wir beschlossen, sie zum Aufhänger für unsere Ausstellung zu machen.

Wurden diese Karten schon einmal wissenschaftlich bearbeitet?

Franz Smola: Sie wurden 1987 von Wolfgang Georg Fischer publiziert, der diese Postkarten aus dem Nachlass der Familie Flöge erworben hat. Er hat sie aber den damaligen Umständen entsprechend veröffentlicht. Wir haben den wissenschaftlichen Standard von heute angewendet und in unserem Katalog, der auch ein Bestandsverzeichnis dieser Postkarten ist, finden Sie jetzt die Transkriptionen und Abbildungen. Neben diesen Postkarten, die nur an Emilie Flöge gerichtet sind, gibt es noch eine Auswahl an anderen Autografen zu sehen, Karten, die er an Verwandte und Freunde geschrieben hat, und einige kostbare Briefe an Mizzi Zimmermann, eine der Mütter seiner Kinder, die bisher noch nie ausgestellt wurden.
Weinhäupl: Wir bereiten die Schau auch multimedial auf, es wird Touchscreens geben, auf denen man die Vorder- und Rückseite jeder Postkarte abrufen und die Transkription lesen kann. Eine für Besucher und Forscher hochinteressante Sache. Dieses Klimt-Jahr mit seiner Fülle an Ausstellungen bietet wirklich erstmals die Möglichkeit, Klimt in all seinen Facetten kennenzulernen. Wir werden außerdem als wesentlichen Beitrag für die Forschung den Postkartenbestand in eine Datenbank einpflegen, so wie wir den gesamten Bestand der Schiele-Autografen eingepflegt haben. Er wird in Zukunft im Internet abrufbar sein, sodass unser Schiele-Forschungszentrum auch zum Klimt-Zentrum werden wird.

Bei so vielen Karten, wer hat die Zeit, sie alle anzuschauen? Besteht dabei nicht ein wenig die Gefahr, dass sie zum Dekor werden?

Natter: Nein, das ist sicher keine Postkartenausstellung. Im Mittelpunkt steht natürlich das Werk. Es ist der Künstler selbst, der sein Werk kommentiert. Er lädt uns ein, er nimmt uns an der Hand und führt uns zu seinem Werk hin. Diesen Ansatz gab es noch nie. Die Besucher sehen ein riesiges Vitrinenband, das auch architektonisch besonders gestaltet ist, das durch die Ausstellung führt. Es gibt 400 Briefe, Post- und Ansichtskarten, die sind zunächst als Fülle sehr eindrucksvoll. Wir haben 20 wichtige Zitate herausgegriffen, als Schlaglichter an der Wand. Sie strukturieren die Ausstellung in einprägsamer Weise. Es sind vier Zitate aus den Postkarten und 16 stammen aus anderen schriftlichen Überlieferungen. Darin berichtet Klimt über sein Werk, seine Arbeitsweise, über die Dinge die ihm wichtig sind. Für mich ist es auch ein Symbol, eine visuell wahrnehmbare Botschaft. Das heißt, es bricht mit dem Klischee, dass Klimt uns gar nichts Schriftliches hinterlassen hätte. Und wenn wir dann noch Botschaften herausnehmen, die belegen, dass er sehr wohl zur künstlerischen Selbstreflexion fähig war, dann haben wir schon das nächste Klischee gebrochen.

Welche Werke wird man sehen?

Natter: Als Leopold Museum sind wir natürlich in der glücklichen Lage eigene Hauptwerke zeigen zu können, aber auch großartige Leihgaben, etwa aus den USA, der Schweiz, aus Deutschland, sogar den Goldenen Ritter aus Japan. Außerdem ist es uns gelungen, ein aus einem österreichischen Museum restituiertes Gemälde zu zeigen, das erstmals wieder nach Österreich zurückkommt.

Können Sie Beispiele nennen, wie Sie die Zitate mit dem Werk verknüpfen?

Natter: Etwa wenn Klimt vom Attersee schreibt: Ich arbeite an fünf Bildern, ein sechstes wird vielleicht nicht fertig. Und er zählt sie auf. Dann zeigen wird dazu diese Bilder im Original, soweit wir das können. Im konkreten Fall sind es dann drei Bilder.
Smola: Es gibt wirklich tolle Beispiele. Klimt reist zum Beispiel nach Tervuren bei Brüssel, wo er das Musée du Congo besucht, und berichtet darüber in vier Postkarten, die er an einem einzigen Tag an Flöge schreibt. Die Gegend ist schön, der Bau ist eigentlich uninteressant, das Museum ist ziemlich angestopft, und dann sagt er lapidar: „Aber die Plastiken der Kongoneger sind fantastisch.“ Das ist für die Forschung höchst interessant. Wie kommt Klimt dazu, Stammesplastik aus Afrika interessant zu finden? Dann überlegt man weiter, und findet sogar in Klimts Sammlung einige solcher Figuren. Dinge, die er vielleicht in seinem Werk nicht unmittelbar verarbeitet hat. Aber wir sind im Jahr 1909, in dem Picasso unter dem Einfluss der afrikanischen Plastik mit dem Kubismus beginnt. Auch für den Expressionismus ist diese Kunst von höchster Bedeutung. Wir haben daher keine Mühe gescheut, um ein Exponat aus Tervuren zu bekommen, das sich zu der Zeit schon in der Sammlung befunden hat, das also Klimt theoretisch gesehen haben könnte.

Was ist das Neue an der Ausstellung?

Natter: Über Gustav Klimt ist viel geschrieben worden, schon zu Lebzeiten und erst recht danach. Aber nun ist es Klimt selbst, der zu Wort kommt. In den von uns ausgewählten zwanzig Originalzitaten nimmt er die Besucher an der Hand und benennt die Dinge, die ihm wichtig waren, was ihn motiviert, wie er seine Arbeit und sein Leben organisiert hat. Ein solcher Dialog von Person und Werk war so noch in keiner Ausstellung zu sehen. Zudem ist es uns mithilfe des renommierten Architekten Dietmar Eberle gelungen, für diese fast experimentelle Annäherung an Leben und Werk die adäquate gestalterische Umsetzung zu finden.

Das Leopold Museum gilt als Zentrum für Schiele. Im heurigen Jahr dominiert Klimt, bedeutet das auch einen Richtungswechsel?

Weinhäupl: Wir sind gemeinsam mit dem Belvedere eines der führenden und wichtigen Klimt-Häuser. Wir sind das einzige Museum, das eine permanente „Wien 1900“-Ausstellung zeigt, in der Klimt wesentlicher Bestandteil ist. Wir wollen uns in Zukunft verstärkt auch als Klimt-Haus positionieren. Ein wichtiger Aspekt ist hier sein Atelier in der Josefstädter Straße, das wir rekonstruieren, und in einer Kooperation mit der Neuen Galerie in New York erstmals in Österreich zeigen. Der Sammler Dr. Ernst Ploil unterstützt uns hier mit Leihgaben. Das Leopold Museum hat immer schon ein Faible für Klimt gehabt. Wir waren unter anderem federführend in der Rettung des letzten Ateliers in der Feldmühlgasse. Ich war damals Gründungsmitglied des Vereins, der sich um die Erhaltung dieser Gedenkstätte gekümmert hat. Wir haben 2005 parallel zur „Nackten Wahrheit“ die Fakultätsbilder rekonstruiert und an die Decke des Festsaals der Universität gehängt, wo sie immer noch sind. Dann haben wir 2003 den Klimt-Themenweg am Attersee entworfen und heuer sind wir wesentlich an der Ausstattung des Klimt-Zentrums am Attersee beteiligt. Am 14. Juni 2012, Klimts Geburtstag, wird es eröffnet. Wir richten es ein, wir machen die wissenschaftliche Beratung. Dabei wird es auch ein paar Originale zu sehen geben, vorwiegend von privater Seite. Wir treten als Vermittler auf und es werden Klimt und der Attersee entsprechend dokumentiert. Das ist auch ein Aspekt, der bisher noch nicht sehr intensiv bearbeitet wurde. Aber er ist dennoch wichtig, weil ein Großteil seiner Landschaftsgemälde hier entstanden ist. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2012)

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