Johann Gudenus: "Asyl ist ein Recht auf Zeit"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johann Gudenus, FPÖ-Klubchef in Wien und stellvertretender Bundesobmann, erklärt im Interview mit der "Presse" seine Reise nach Tschetschenien und fordert eine Aufweichung des politischen Asyls.

Die Presse: Hatten Sie auf Ihrer Tschetschenien-Reise Angst?

Johann Gudenus: Keine Sekunde.

Wir fragen, weil Sie noch vor einem halben Jahr eine Aussendung mit dem Titel „Tschetschenen sind gefährlich“ verschickt haben. Da steht: „Fast jeder männliche Tschetschene läuft mit einem Messer herum.“

Das stimmt ja auch.

Dann gilt das auch für den tschetschenischen Präsidenten, Herrn Kadyrow, den Sie getroffen haben.

Nein. Von den Tschetschenen, die in Österreich Asylwerber sind, geht vergleichsweise die größte Gewalttätigkeit aus. Das hat uns Ramsan Kadyrow bestätigt. Auch dass viele Drogendealer werden. Kadyrow und wir sind uns einig, dass viele der Tschetschenen hier Wirtschaftsflüchtlinge sind. Ich habe mir vor Ort mein eigenes Bild gemacht.


Wie haben Sie das gemacht? Sie waren ja nur einen Tag mit einer offiziellen Delegation dort.

Natürlich bekommt man nicht alles mit. Aber nach meiner Wahrnehmung ist die Lage relativ sicher, vom Bürgerkrieg ist nichts mehr zu merken. Das Innenministerium, das im September 2011 dort war, bestätigt das.

Im Gegensatz zu Ihnen spricht das Innenministerium nicht von über 90 Prozent Wirtschaftsflüchtlingen. Die meisten der hier lebenden Tschetschenen sind anerkannte politische Flüchtlinge.

Weil schlampig mit Asyl umgegangen wird.

Sie halten die Asylrechtsprechung für nicht korrekt?

Mir bestätigen Leute aus dem Asylgerichtshof, dass vieles falsch läuft. 90Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge.

Wie kommen Sie zu dieser Prozentzahl?

Glauben Sie, dass der Herr Kadyrow jeden Einzelnen der bis zu 26.000 – laut Russland sind es 43.000 – verfolgt? Wenn jemand rassisch, religiös oder politisch verfolgt wird, sollte er Schutz bekommen. Asylrecht ist aber ein Recht auf Zeit. Wenn die Verfolgung wegfällt, gibt es auch kein Recht auf Schutz mehr.

Und das ist Ihrer Meinung bereits der Fall?

Sobald Menschen dorthin zurückgeschickt werden, heißt das: Die Lage ist in Ordnung – und es werden schon mehrere Hundert zurückgeschickt.

Haben Sie in Tschetschenien mit NGOs oder Rückkehrern gesprochen?

Nein.

Vom Innenministerium werden jene zurückgeschickt, die kein Asyl erhalten. Andere gehen freiwillig. Aber es kann niemand abgeschoben werden, wenn er als Flüchtling anerkannt wurde – nur unter Umständen im Zuge eines Strafverfahrens.

Das wäre aber zu prüfen.

Sie wollen anerkannte Flüchtlinge nach Tschetschenien abschieben?

Sicher. Man muss fragen: Liegt der Verfolgungsgrund noch vor? Kadyrow sagt, dass er viele Leute, die er früher vielleicht verfolgt hat, nicht mehr verfolgt.

Das glauben Sie ihm?

Der Herr Kadyrow ist nun einmal der legitime Herrscher Tschetscheniens. Ich werde ihm diese Aussagen glauben müssen.

Kadyrow gilt als Diktator. Sehen Sie ihn auch so?

Tschetschenien hat menschenrechtlich nicht dieselben Standards wie Österreich, aber es ist auch nicht schlechter als China.

Ist er für Sie ein Diktator – ja oder nein?

Das müssen andere beurteilen.

Aber Sie werden eine Meinung haben?

Ob man es will oder nicht ist er ein legitimiertes Oberhaupt.

Wenn es kaum politische Verfolgung gibt, warum sind laut Verfassungsschutz 300 Kadyrow-Agenten in Österreich?

Stimmt das?

Sie selbst haben die Abschiebung der Agenten gefordert.

Wenn es sie gibt, sind sie als Erste abzuschieben.

War der Fall Israilow (Ermordung eines Ex-Kadyrow-Leibwächters in Wien, die Kadyrow beauftragt haben soll, Anm.) bei Ihrem Besuch Thema?

Nein. Wir sind keine Strafbehörde.

Wie ist die Reise denn zustande gekommen?

Über Vermittlung von russischen Freunden. Die Einladung kam vom tschetschenischen Parlamentspräsidenten.

Welche Rolle spielte Herr Pirveli?

Levan Priveli war dabei.

Pirveli, ein in Wien lebender Georgier, gilt in seiner Heimat als äußerst umstritten. Die FPÖ hat ihn öfters als Redner eingeladen. Wie ist die Beziehung Ihrer Partei zu ihm?

Ich weiß nichts von Vorwürfen gegen ihn. Ich weiß, er hat ein aufrechtes Asyl in Österreich, weil er in Georgien politisch verfolgt wird. Wir haben zu ihm wie zu anderen Mitgliedern der georgischen Opposition Kontakte.

Ihre Reise erinnert an die Ära Haiders, der sich mit Gaddafi oder Saddam Hussein traf. Woher kommt diese Vorliebe der FPÖ für Außenseiter?

Diese Tradition gibt es nicht. Wir treten dort auf, wo wir es nötig finden, wo der Staat und heimische Parteien versagen.

Angeblich planen Sie eine Reise in den Iran, die jetzt aber wieder abgesagt wurde.

Das stimmt nicht. Die war nie geplant.

Zur Person

Johann Gudenus, Jg. 1976, ist FPÖ-Klubchef in Wien und stellvertretender Bundesobmann. Der Jurist hat die Diplomatische Akademie in Wien absolviert; er besuchte auch die diplomatische Akademie Moskau und spricht Russisch. Als Obmann des Ringes Freiheitlicher Jugend fiel er früher durch Rechtsaußen-Sager auf. Gudenus ist Mitglied in der Burschenschaft „Vandalia“. Anfang Februar besuchte er mit Johannes Hübner (ebenfalls FPÖ) Tschetscheniens Präsidenten Ramsan Kadyrow. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2012)

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