Bruno Walter, Gustav Mahlers Zögling und ein wahrer Prophet

Die Staatsoper würdigt ihren einstigen Generalmusikdirektor anlässlich dessen 50. Todestages mit einer Ausstellung – und animiert uns hoffentlich zum Hören.

Vor 50 Jahren ist Bruno Walter gestorben. Die Wiener Staatsoper würdigt den bedeutenden Dirigenten mit einer Ausstellung im Gobelinsaal, der längst nach Walters einstigem Freund und Förderer benannt ist: Gustav Mahler. Der Komponist war eines der großen Leitbilder für den aus Berlin gebürtigen Maestro. Als jungen Mann holte Mahler das immense kapellmeisterische Talent nach Wien. Während der legendären Ära Mahler avancierte Walter zu einem der wichtigsten Dirigenten der Hofoper.

Er rechnete sich seiner Jugend zum Trotz auch Chancen aus, Mahler als Direktor nachfolgen zu dürfen. Immerhin: Die Philharmoniker waren von seinen Qualitäten ja von Anbeginn überzeugt: „Das Orchester hat sich reizend benommen; sie folgten mir mit wahrem Feuereifer und umdrängten mich nach den Aktschlüssen, um mir Freundlichkeiten zu sagen.“ So euphorisch konnte der Wien-Debütant an seine Eltern berichten. Doch es war nicht Wien, es war München, das zugriff und dem Künstler einen Generalmusikdirektorenvertrag gewährte, „wie ihn heute kein zweiter Musiker hat“, so Walters Eigendefinition.

1933 beendete Hitlers Machtergreifung Walters Münchner Tätigkeit. Da schlug die Stunde der Staatsoper: Bis auch in Österreich die Lichter ausgingen, wurde der Traum des Musikers wahr, an jener Stelle zu wirken, an der der 1911 verstorbene Mahler das Zepter geschwungen hatte. Nach 1945 gab es keine Wiederkehr des Operndirigenten Walter mehr nach Wien, auch nicht nach Salzburg, wo er in den Dreißigerjahren einer der führenden Festspiel-Maestri war.

Doch war er charakterlich ein Versöhner, dirigierte wieder philharmonische Konzerte und engagierte sich auch im deutschen Sprachraum wieder für jene exquisiten Mozart-, Schubert- und Mahler-Aufführungen, für die er berühmt geworden war. „Kollektivurteile“, betonte er einmal, lehnte er ab, „ob es sich um die Deutschen oder die Juden, die Franzosen, die Musiker“ handeln mochte.

Hans Pfitzner, dessen „Palestrina“ er in München 1917 uraufgeführt hatte, schrieb er 1947 als Credo, es bestünde zwar ein „Abgrund zwischen uns in der Denkungsweise“, doch „stimme ich in einem mit Dir überein: in der Treue bis zum letzten Hauch zur h-Moll-Messe, Faust, Freischütz und Eichendorff“. Das unbedingte Bekenntnis zur deutschen Kultur war für Walters Kunstverständnis grundlegend. Wer Brahms, Schumann unter seiner Leitung hört, versteht instinktiv, was der Begriff „deutsche Romantik“ bedeutet.

Was aber Gustav Mahlers Musik betrifft, müssten Walters Aufnahmen für alle Nachgeborenen zu den wichtigsten Dokumenten zählen, stand er doch, selbst ein komponierender Kapellmeister, mit dem dirigierenden Komponisten in engem Kontakt. Vieles von heute hoch gelobten interpretatorischen Manieren steht quer zu dem, was man bei Bruno Walter hören kann. Allein das Adagietto aus der Fünften oder das Finale der Neunten dauern in durchschnittlichen Aufführungen unserer Zeit etwa 50 Prozent länger als auf seinen Aufnahmen! Vielleicht ruft uns das Gedenkjahr nicht nur Bilder eines bedeutenden Interpreten in Erinnerung, sondern auch sein tönendes Vermächtnis.

Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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