China rüstet "angemessen" auf

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China ruestet bdquoangemessenldquo(c) AP (Andy Wong)
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In Peking tagt der Volkskongress. Vor Tagungsbeginn wurde verkündet, dass die Militärausgaben auf 80,6 Milliarden Euro angewachsen sind. In der Regel ist dieses Treffen kaum mehr als eine Formalie.

Der Pekinger Polizist Zuo Baoshan hat in diesen Tagen eine besondere Aufgabe, und die erledigt er gewissenhaft und gründlich: Er muss dafür sorgen, dass kein privates Flugzeug ohne Erlaubnis startet und womöglich Kurs auf das Zentrum nimmt. So marschierte er jüngst zum einzigen Fliegerklub vor den Toren der chinesischen Hauptstadt. Er versiegelte den Hangar, sorgte dafür, dass Propeller und Motoren der Maschinen ausgebaut wurden und ließ sogar das Kerosin aus den Tanks ab.

„Sicher ist sicher“ lautet das Motto der chinesischen KP, und deshalb hat sie den Luftraum über der Metropole für kleine Flugzeuge, Hubschrauber und Ballons gesperrt. Auf dem Boden patrouillieren Scharen von Polizisten und Soldaten, Zivilagenten und ältere Bürger mit roten Armbinden durch Straßen und Höfe. Sie sollen dafür sorgen, dass nichts Unvorhergesehenes passiert.

Anlass ist die alljährliche Sitzung des Nationalen Volkskongresses, Pekings Pseudoparlament, die heute, Montag, in der Großen Halle des Volkes beginnt. Rund 3000 Delegierte werden auch dieses Mal jeden Morgen in Bussen herangefahren, um den Rechenschaftsbericht von Premierminister Wen Jiabao zu hören und die Politik des kommenden Jahres zu debattieren.

In der Regel ist dieses Treffen – kaum mehr als eine Formalie – eine klug inszenierte Schau, die dem Volk Demokratie und Transparenz vorgaukeln soll. Dennoch gibt es etwas zu diskutieren: Vor allem die hohen Immobilienpreise und der Versuch der Regierung, eine Sozialversicherung für Hunderte von Millionen Menschen zu schaffen, dürften die Abgesandten beschäftigen.

Viel politischer Sprengstoff

Vor Beginn der Sitzung sandte Peking ein Signal der militärischen Stärke. Tagungssprecher Li Zhaoxing sagte, die Verteidigungsausgaben würden auf 670,27 Milliarden Yuan (umgerechnet 80,6Mrd. Euro) steigen – um 11,2 Prozentpunkte. Er verteidigte den Zuwachs als „angemessen und vernünftig“. China verfolge eine „defensive“ Verteidigungspolitik. Der Anteil der Militärausgaben am Gesamthaushalt sei seit 2008 von 6,68 auf 5,53 Prozent im Jahr 2011 gefallen.

Hinter den Kulissen des Kongresses lagert allerdings eine Menge politischer Sprengstoff. Denn in einigen Monaten wird die KP auf ihrem 18.Parteitag die Führung auswechseln, Staats- und Parteichef Hu Jintao und Regierungschef Wen werden ihre Parteiposten aufgeben (und dann im Frühjahr 2013 auch ihre Regierungsämter).

Vizepräsident Xi Jingping und Vizepremier Li Keqiang sollen dann das Heft in die Hand nehmen. Nur diese zwei Funktionäre der alten Garde bleiben ab Herbst im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem mächtigsten Gremium Chinas, die anderen sieben müssen sich verabschieden, weil sie nach parteiinternen Regeln zu alt sind. Viele Funktionäre sprechen intern von einem „Reformstau“. Anstatt den privaten Sektor zu stärken, hätte die Führung zugelassen, dass die Staatsbetriebe immer mächtiger wurden.

Vor diesem Hintergrund tobt seit einigen Wochen in den Reihen der KP ein Machtkampf, der die Merkmale eines Politkrimis in sich trägt. Im Mittelpunkt steht der ehrgeizige Parteichef der Yangtse-Metropole Chongqing, Bo Xilai. Er gilt als orthodoxer Kommunist, doch als sein Polizeichef Wang Lijun sich für einige Stunden ins US-Konsulat im nahen Chengdu abgesetzt hatte, dürfte er damit auch den Traum seines Chefs Bo Xilai auf höhere Parteiweihen zum Platzen gebracht haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2012)

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