Slowakei: Robert Fico lädt Verlierer zu Gesprächen ein

Robert Fico laedt Verlierer
Robert Fico laedt Verlierer(c) AP (Koller Jano)
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Fulminanter Wahlsieg der Linken: "Smer" kann künftig alleine regieren. Parteichef Fico sucht trotzdem einen Koalitionspartner - dieser soll notfalls den Part des Sündenbocks übernehmen.

Bratislava. So gegensätzlich können die Feiern desselben Siegers aussehen: Nach seinem ersten Wahlsieg 2006 ließ Robert Fico die Journalisten die ganze Wahlnacht im Freien ausharren und verweigerte ihnen jedes Statement, ehe die Wahlergebnisse offiziell seien. Jetzt, eine konfliktreiche Regierungsperiode und eine kurze, aber lehrreiche Oppositionsphase später, war Fico einer der ersten Politiker überhaupt, die sich den Medien stellten. Alle Türen standen ihnen offen, als Fico von seinen jubelnden Parteifreunden in die Höhe gehoben wurde.

2006 hatte Fico mit finsterer Miene zur Kenntnis genommen, dass die Mitte-rechts-Parteien seine Bedingungen für eine Koalition nicht annehmen wollten, sodass ihm nur ein fatales Bündnis mit Rechtspopulisten und minderheitenfeindlichen Nationalisten übrig blieb. Jetzt hat er mit der ersten jemals in der Slowakei erzielten absoluten Mehrheit für eine Einzelpartei die Wahl so hoch gewonnen, dass er gar keine Koalitionspartner brauchen würde. Trotzdem lud er noch vor Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses alle Parteien, die über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen waren, zu einem „Runden Tisch“ ein, um Koalitionsmöglichkeiten zu sondieren. Eine Koalition sei immer besser als eine Alleinregierung, „denn Macht braucht Kontrolle, und wenn sich zwei Parteien gegenseitig kontrollieren, ist das besser für den Staat“, lässt der Wahlsieger aufhorchen.

Koalitionäre Rollenverteilung

Dass er nicht allein regieren will, kann durchaus ehrlich gemeint sein. Denn schon in seiner ersten Regierung 2006–2010 verstand es Fico glänzend, alle Erfolge für sich zu verbuchen und alle Misserfolge den Koalitionspartnern anzulasten, die dann von den Wählern bestraft wurden. Deshalb zieren sich die Wahlverlierer noch etwas. Am ehesten könnten sich noch die konservativen Christdemokraten (KDH) von Ex-EU-Kommissar Jan Figel und die ungarisch-slowakische Versöhnungspartei Most-Hid (Brücke) ein Regierungsbündnis mit dem Wahlsieger vorstellen. Die einzige Bedingung, die ein potenzieller Partner laut Fico erfüllen müsse, sei die Zustimmung zu einer „eindeutig proeuropäischen Regierung“, sagt er.

Sich als Garant für eine verlässliche EU-Politik zu präsentieren, war einer seiner großen Trümpfe gewesen. Denn die Vorgängerregierung unter der christlich-liberalen Noch-Premierministerin Iveta Radičová war ja gerade an einem Streit um den Euro-Rettungsschirm nach nur eineinhalb Jahren Amtszeit zerbrochen.

Für den Euro und die EU sind dabei auch alle bürgerlichen Parteien, eine relevante euroskeptische Partei gibt es in der Slowakei nicht. Nur mit dem Euro-Rettungsschirm wollte sich bisher außer Fico niemand so richtig anfreunden. Denn schließlich sei die Slowakei eines der ärmsten Länder mit zugleich einem der niedrigsten Schuldenstände der Eurozone. Daher sei es nicht einzusehen, dass die slowakischen Pensionisten, die in der Vergangenheit drastische Sparpakete zu verkraften hatten, jetzt für die weniger sparsamen Griechen zahlen müssten, hatten Radičová und ihr Außenminister Mikuláš Dzurinda stets erklärt.

Nur Fico befürwortet jeden Schritt zugunsten des Euro-Rettungsschirms ohne Wenn und Aber: „Die Slowakei bekommt von der EU viel mehr, als wir ihr geben. Deshalb muss die EU von uns wenigstens erwarten können, dass wir uns solidarisch beteiligen, wenn es um den Euro geht.“

Die zerstrittenen und obendrein von einer Korruptionsaffäre erschütterten bürgerlichen Parteien wurden von den Wählern böse abgestraft: Während Ficos Partei „Smer-Sozialdemokratie“ auf 83 der 150Parlamentsmandate kommt, sind die fünf anderen ins Parlament gekommenen Parteien allesamt unter zehn Prozent Wähleranteil geblieben. Auffallend ist auch die klare Abfuhr der Wähler an Nationalisten und Populisten: Die einst allmächtige HZDS des rechtspopulistischen Ex-Premiers Vladimír Mečiar wurde schon 2010 aus dem Parlament gewählt, jetzt folgten ihr auch die slowakischen Nationalisten unter dem minderheitenfeindlichen Polterer Ján Slota ins politische Aus.

Kleinparteien gescheitert

Insgesamt kandidierten 26 Listen, von den vielen neu gegründeten Kleinparteien schaffte aber nur eine einzige den Einzug ins Parlament. Ihr aktionistischer Star Igor Matovič hatte wieder die von ihm schon 2010 als unabhängiger Kandidat auf einer anderen Liste erprobte Methode angewandt und sich per Vorzugsstimmen vom letzten Listenplatz ganz nach vorn wählen lassen.

Ein anderer Publikumsliebling tritt hingegen von der politischen Bühne ab: Noch-Premierministerin Radičová hatte sich aktiv an der Aufdeckung eines riesigen Korruptionsskandals beteiligt, obwohl dieser vor allem ihrer eigenen Partei SDKU schadete. Jetzt will sie aus der Partei austreten und überhaupt die Politik verlassen.

Auf einen Blick

Robert Ficos „Smer-Sozialdemokratie“ holte bei der Wahl am Samstag 44,4 Prozent der Stimmen, das entspricht 83 von 150 Mandaten. Die langjährige bürgerliche Regierungspartei SDKU von Außenminister Dzurinda verlor zwei Drittel ihrer Wähler und kam auf sechs Prozent der Stimmen, die rechtsliberale SaS kam auf 5,9 Prozent. Ins Parlament ziehen drei weitere Parteien ein: die Christdemokraten KDH (8,8 Prozent), die ungarisch-slowakische Partei Most-Hid (6,9 Prozent) sowie die rechtsgerichtete Protestpartei OLaNO mit 8,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 59,1 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2012)

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