Diplomatenpässe: Eine österreichische Eigenheit

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Privilegierte Pässe: 3138 Diplomatenpässe sind im Umlauf. "Presse"-Recherchen zeigen: International war Österreich bei der Ausstellung Weltklasse, wenn nicht sogar: Weltmeister.

Wien. Lange war geheim, wie viele Diplomaten- und Dienstpässe in der Republik im Umlauf sind. Schätzungen kursierten, rund 3.000 Diplomatenpässe? An die 10.000 Dienstpässe? Nun liegen konkrete Zahlen als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz auf dem Tisch: Exakt 7853 Dienst- und 3138 Diplomatenpässe können mit ihren Inhabern „im Namen der Republik“ auf Reisen gehen.

„Diese Pässe bekam man bei uns wie auf einem Basar“, sagt Grosz. Ihn stört, dass man sich bei der Bekanntgabe einzelner Namen von Inhabern der offiziellen Reisedokumente auf den „Datenschutz“ beruft. „Ich sehe einfach nicht, wie in die Privatsphäre eingegriffen werden soll, wenn diese Personen im Dienste der Republik tätig sind.“ Insbesondere sind gerade die Namen jener Besitzer von Diplomatenpässen interessant, die – so die vage Formulierung von Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) – „im Interesse der Republik im Ausland wirken“. Als Begründung für die Ausstellung führt der Minister bei dieser Personengruppe (und anderen) „internationale Gepflogenheiten“ ins Treffen, wie in Paragraf 6, Absatz 2 des Passgesetzes geregelt.

Stets haben die Verantwortlichen auf diesen Passus verwiesen. Das Argument: Wir machen es so, wie es international üblich ist. Mitnichten – denn gebe es einen Wettkampf, Österreich wäre bei der Vergabe von Diplomatenpässen Weltklasse, wenn nicht gar: Weltmeister. Diesen Schluss legen „Presse“-Recherchen bei 65 Botschaften in Wien, von A wie Australien bis Z wie Zypern, nahe.

Angefragt wurde, wie die Vergabe von Diplomatenpässen in den jeweiligen Ländern geregelt ist, welche Personen diese ausgestellt bekommen, ob Amtsträger ohne offizielle Funktion die Pässe zurückgeben müssen und ob auch andere Personen, wie etwa Hinterbliebene („Die Presse“ berichtete) oder Kirchenvertreter, Diplomatenpässe bekommen.

Wie die insgesamt 28 eingetroffenen Antworten ausländischer Botschaften zeigen, war es zuallererst einmal eine österreichische Eigenheit, einen vagen Begriff wie den der „internationalen Gepflogenheiten“ überhaupt ins Gesetz zu schreiben. Kein Gesetzestext, von Estland, der Ukraine oder Spanien etwa, kennt diesen Begriff.

Grundsätzlich entscheidet jede Nation selbst, an wen und mit welcher Begründung sie Diplomatenpässe ausstellt. Ein Ländervergleich zeigt jedoch, dass die meisten Staaten ähnlich an die Vergabe herangehen (siehe Grafik). Ähnlich streng – obgleich manche Staaten für bestimmte Personen, wie etwa ehemalige Staatspräsidenten, Ausnahmen machen. Es kennt jedoch kein Land so viele Ausnahmen und war bei der Vergabe so freizügig wie die Republik Österreich.

Am nächsten kommen den österreichischen Gepflogenheiten jene in Finnland und in Liechtenstein. Im Fürstentum dürfen alle Ex-Minister ihren Diplomatenpass behalten. Bisher, denn zurzeit ändert auch Liechtenstein sein Gesetz. In Finnland wiederum behalten ehemalige Minister ihre Diplomatenpässe, sofern sie mindestens vier Jahre im Amt waren, Botschafter, wenn sie zehn Jahre im diplomatischen Dienst gestanden sind.

Amt weg, Pass weg

Europäische Staaten, in denen die Passausstellung strikt geregelt ist, gibt es zur Genüge: etwa die Niederlande, Schweden oder Zypern. Minister müssen dort ihren Diplomatenpass abgeben, wenn sie das Amt verlassen. Punkt.

Anders in Dänemark, wo Witwen von Botschaftern die Reisedokumente auf Lebenszeit erhalten. Auch in Italien können Hinterbliebene von Ex-Botschaftern diesen beantragen. Im Unterschied zu Österreich bekommen in Dänemark aber nur ehemalige Premier- und Außenminister Diplomatenpässe. In Italien ehemalige Staats-, Minister- und Senatspräsidenten sowie die Ex-Außenminister. Anderen Ex-Ministern und deren Gattinnen stehen keine Diplomatenpässe zu.

Ebenso interessant wie genau ist die Regelung in den USA. Dort stehen den vormals höchsten Repräsentanten der US-Regierung, dem Präsidenten, seinem Vize aber auch pensionierten Botschaftern, sogenannte „Courtesy Diplomatic Passports“, Pässe aus Gründen der Höflichkeit, zu. Dafür muss selbst der Ex-Präsident dieselbe Gebühr entrichten wie ein Staatsbürger für seinen Reisepass.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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