Henryk M. Broder: "Auschwitz ist ein Rummelplatz"

Henryk Broder raet Auschwitz
Henryk Broder raet Auschwitz(c) APN (Eckehard Schulz)
  • Drucken

Der deutsche Autor kritisiert auf der Leipziger Buchmesse eine "staatstragende Heuchelei" in Deutschland. Er rät dazu, Auschwitz "wegzubomben", denn das ehemalige KZ sei zum "würdelosen" Ausflugsziel verkommen.

Als "eine Art Obsession" bezeichnete der Journalist Henryk M. Broder am Donnerstag seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus. Grund für sein neues Buch mit dem Titel "Vergesst Auschwitz" sei eine "staatstragende Heuchelei" in Deutschland, sagte der Autor am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse.

Als Beispiel nannte er die Verleihung des Steiger-Awards für Toleranz an den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan am kommenden Samstag. "100 Journalisten sitzen in der Türkei im Knast", sagte Broder. "Wer hält die Laudatio? Gerhard Schröder. Gazprom-Schröder. Wenn ich nicht schon aufgehört hätte SPD zu wählen - das wäre jetzt der Anlass dazu."

Zum Rummelplatz verkommen

Bezugnehmend auf den provokanten Titel seines Buches meinte Broder, der aus einer jüdischen Familie stammt: "Wenn es schon die Alliierten versäumt haben Auschwitz zu bombardieren, könnte man es jetzt machen." Denn: "Auschwitz ist ein Rummelplatz. Zu Zeiten meiner Mutter war es ein One-Way-Ticket, jetzt geht es hin und zurück, nach dem Frühstück" kritisierte Broder. "Es ist einfach würdelos, es ist schrecklich."

Der Autor sieht in der heutigen Gesellschaft eine "Verlogenheit": "Was Völkermord ist, muss über sechs Millionen liegen, alles darunter ist eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Mir wird richtig schlecht, wenn ich höre, was zu Syrien gesagt wird." Dabei attackierte er Außenminister Guido Westerwelle wegen des Arguments, ein Eingreifen mache die Situation noch schlimmer: "Es ist schon ein Flächenbrand, ein Massaker. Das war damals beim Holocaust genauso." Man habe nicht eingreifen wollen.

Antisemitismus wird zu Antizionismus transformiert

Der Antisemitismus sei durch den Holocaust diskreditiert worden, sagte Henryk M. Broder. Er suche sich deshalb einen Seitenausgang, dies wäre der Antizionismus, bei gleichzeitigen Ritualen der Bekenntnisse gegenüber Auschwitz. "Ich bin sehr für Kritik", sagte Broder, "aber diese hat wenig mit Israel zu tun, sondern soll die Schuld der Deutschen minimieren, indem Israels Schuld gegenüber den Palästinensern betont wird." Diese Spielart des Antisemitismus gehe "quer durch alle Milieus" in Deutschland.

Heftig kritisierte er in diesem Zusammenhang den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der Israel als Apartheidstaat bezeichnet habe. "Ich glaube nicht, dass Gabriel ein Antisemit ist, sondern ein Dummkopf", sagte Broder. "Wenn er nach Israel fährt, dann sind Dick und Doof im Nahen Osten unterwegs - in einer Person." Die dem Deutschen eingelernte politische Korrektheit machte der Autor verantwortlich für Diskussionen wie jene darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat oder "nur" eine Diktatur gewesen sei: "Da kriege ich die Krätze. Man kann auch ein Blutbad herunter differenzieren, bis nichts mehr übrig bleibt", so Broder.

Henryk M. Broder: "Vergesst Auschwitz - Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage", Knaus-Verlag, Hamburg, 2012, 176 S., 17,50 Euro

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Literatur

Leipziger Buchpreis für „Sand“ von Wolfgang Herrndorf

Deutsche Autor, der seit zwei Jahren an einem Hirntumor leidet, nahm nicht an der Preisverleihung teil. Seine Krankheit klingt auch im Roman „Sand“ an. Im Mittelpunkt steht ein Held, der sein Gedächtnis verliert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.