Steueramnestie: Warum nicht von Italien lernen?

Steueramnestie Warum nicht Italien
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Das geplante Abkommen mit der Schweiz stößt auf Bedenken. Es gäbe überlegenswerte Alternativen.

Wien. Das von der österreichischen Regierung unter Federführung des Finanzministeriums angestrebte Steuerabkommen mit der Schweiz zur erhofften (Nach-)Versteuerung dort befindlichen „Schwarzgeldes“ wirft viele Fragen ohne Antworten auf. Dabei hält die geplante Vorgangsweise kritischen Fragen nach volkswirtschaftlichem Sinn, Verfassungsmäßigkeit der vorgesehenen Pauschalbesteuerung sowie Erfolgsaussichten gemessen am bestehenden Instrumentarium der Selbstanzeige nicht stand. Außerdem ist die politische Signalwirkung zumindest fragwürdig.

Die Pauschalbesteuerung soll – wohl in starker Anlehnung an das Abkommen der Schweiz mit Deutschland vom 21.September 2011 – so funktionieren: Schweizer Banken sollen bei ihnen veranlagte Vermögen österreichischer Steuerpflichtiger (Altvermögen) entweder mit deren Zustimmung dem österreichischen Fiskus unter Angabe wesentlicher Personendaten melden oder die Vermögen anonym pauschal mit voraussichtlich bis zu 36% des Substanzwerts zu einem festzulegenden Stichtag besteuern. Zukünftig sollen dann die Vermögen von Steuerpflichtigen, die der Meldung ihrer Daten nicht zugestimmt haben, direkt durch Abzug an der Quelle durch die Schweizer Bank pauschal mit 25% besteuert werden. Wer „freiwillig“ meldet, unterliegt nicht der automatischen Abzugssteuer.

Der Plan „hakt“ verfassungsrechtlich wohl zumindest zweifach: Dem Gleichheitsgrundsatz dürfte einerseits die sachlich nicht rechtfertigbare „Bevorzugung“ in der Schweiz gehaltener Vermögen gegenüber anderen Auslandsvermögen widersprechen; andererseits die Pauschalbesteuerung zu einem einheitlichen Prozentsatz der Substanz, um die Veranlagung und Vereinnahmung zu vereinfachen.

Die Tatsache, dass der Besteuerungsanspruch auf ausländische Vermögen vielfach nicht durchgesetzt werden kann, ist ja wohl dem österreichischen Staat (Gesetzgeber und Exekutive) zuzurechnen. Folglich ist nicht verständlich, warum in einem Sonderfall nicht das (für alle anderen) geltende Recht durchgesetzt wird. Insbesondere das Verhältnis zur bereits existierenden Selbstanzeige und die programmierte ungleiche Behandlung der Selbstanzeiger werden sehr wahrscheinlich als gleichheitswidrig anfechtbar sein.

Es gibt aber auch volkswirtschaftliche Bedenken: Warum sollen die Vermögen von vorneherein nicht zu einer zumindest „rechtlichen“ Repatriierung gezwungen und diese durch österreichische Vertreter durchgeführt werden?

Volkswirtschaftlich völlig unverständlich scheint die vorgesehene Abwicklungsmethodik der Amnestie: Warum ausgerechnet Schweizer Banken den Steuerabzug samt anonymer Erklärungen vornehmen sollen, bleibt ein Geheimnis. Diese Maßnahme geht jedenfalls auf Kosten aller Steuerzahler, da die dadurch geschaffene Wertschöpfung der Nebenleistungen in der Schweiz verbleibt. Auch die Möglichkeit einer tatsächlichen Repatriierung scheint nicht erwogen worden zu sein – angesichts der automatischen Abwicklung in der Schweiz durch Schweizer Banken wird wohl kein Vermögen nach Österreich zurückfließen.

Fiktive Substanz wird erfasst

Gegen den Erfolg des Modells sprechen auch finanzielle Überlegungen: Eine finanzstrafrechtliche Offenlegung (vulgo Selbstanzeige) wird oft günstiger sein. In der Praxis kommt es dort zu Belastungen der Substanz von höchstens 15% inklusive aller Nebenkosten (Berater, Banken), bei der hinterlegten Formel kommt es zumindest zu 19%, die Kosten der Banken noch nicht eingerechnet. Richtig teuer wird es, wenn das Vermögen Verluste erlitten hat, da diese Verluste steuerlich unbeachtlich sein sollen (fiktive Substanz zur Steuerbemessung). Der Preis der Aufrechterhaltung der persönlichen Anonymität wird also hoch sein.

Dem „deutschen Modell“ kann am Beispiel der 2009 und 2010 mit achtbarem Erfolg in Italien durchgeführten Steueramnestie („scudo fiscale“) eine Alternative gegenübergestellt werden, die erfolgversprechender scheint:

•Das Modell beschränkt sich nicht auf Auslandsvermögen in einzelnen Staaten.

•Die Repatriierung ist physisch und „juristisch“ (=fiktiv) möglich. Bei der juristischen Repatriierung wird das Vermögen materiell im Ausland belassen; durch die Zwischenschaltung eines italienischen Intermediärs/Treuhänders wird erreicht, dass das Vermögen rechtlich in Italien gesehen wird. Der Intermediär erfüllt vorrangig die Funktion des Steuerschuldners, um die Anonymität zu erhalten.

•Die volle Anonymität kann selbst dann gewahrt bleiben, wenn körperliche Vermögensgegenstände steuerlich aufgedeckt werden: durch den Transfer in eine Gesellschaft und juristische Repatriierung der Geschäftsanteile.

•Intermediäre können italienische Banken, Wirtschaftstreuhänder, die Post (!) oder Betriebsstätten nicht ansässiger Banken sein. 2009/2010 fiel so die Wertschöpfung aus den Nebenleistungen fast vollständig in Italien an, und durch die obligatorische Einschaltung italienischer Intermediäre war ein Anreiz für die tatsächliche Übertragung nach Italien gegeben.

Die Amnestie hat in Italien zur Repatriierung von Vermögenswerten in Höhe von 102 Mrd. Euro, davon 35 Mrd. im Wege physischer Repatriierung, geführt. Dieser Betrag – knapp 34% des gesamten repatriierten Vermögens – stand also der „italienischen Wirtschaft“ zumindest mittelbar zu Verfügung.

Bei der geplanten Durchführung mittels Schweizer Banken ist hingegen zu befürchten, dass es zu keinem nennenswerten physischen Rückfluss von Vermögen nach Österreich kommen wird.

Auch ist erst nachzuweisen, dass die Schweizer Behörden wie im Fall von Deutschland und Großbritannien eine „up front fee“ an Österreich entrichten werden. Wenn es erlaubt ist, die zwischen der Schweiz und Deutschland vereinbarten zwei Mrd. Schweizer Franken (1,6 Mrd. Euro) für vermutetes Vermögen von 100 bis 400 Mrd. Euro ins Verhältnis zu Österreich zu setzen (vermutetes Vermögen 10 bis 40 Mrd. Euro), dann ist entgegen Waiglein (s. Rechtspanorama, 12.März) die Milliarde wohl nicht „letztlich Verhandlungssache“, sondern Wunschdenken.

Schließlich sendet das geplante Abkommen verfehlte Signale aus. In Italien wurde ein gewisser Anreiz zur Teilnahme an der Amnestie durch relativ attraktive Steuersätze (5–7%) mit einer hohen und „realen“ Strafandrohung bei Entdeckung (50% der Substanz + Strafzuschläge) gekoppelt. Dadurch haben sich Steuerhinterzieher offensichtlich genug „bedroht“ gefühlt, um die Repatriierung einem Aussitzen vorzuziehen. Eine ähnliche Androhung im Sinne einer „last chance“ für nicht erklärte Auslandsvermögen fehlt im österreichischen Konzept – warum eigentlich?

Philipp Gaier ist österreichischer und italienischer Steuerberater bei Grant Thornton Unitreu in Wien.

Auf einen Blick

Der Scudo fiscale (deutsch: Steuerlicher Schutzschild) hat in den Jahren 2009/2010 italienische Vermögenswerte im Ausmaß von rund 100 Milliarden Euro repatriiert, davon zwei Drittel nur rechtlich, ein Drittel auch physisch. Italiens Regierung hatte damit auf die Wirtschaftskrise reagiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2012)

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