Türme für den »Bergstamm«

Wohn-Wahnsinn auf höchstem Niveau. In Tokio wachsen luxuriöse Wohntürme als »vertikale Städte«.

Der Blick auf Tokio ist top, das Design cool, die Atmosphäre gediegen, fast dekadent. Am verglasten Swimmingpool im 42.Stockwerk des „Atago Forest Tower“ entspannen Bewohner der Nobelherberge, trainieren im Fitnesscenter und schauen dabei auf die atemberaubende Megalopolis mit ihren mehr als 35 Millionen Einwohnern. Mittendrin, dennoch in gebotener Distanz zu Chaos und Enge draußen und unten. Das „Atago“ ist kein Hotel, sondern ein Wohnhaus, wenn auch mit fünf Sternen, Arztpraxis und 24-Stunden-Concierge-Service. Nebenan steht der Atago-Büroturm, zwischen beiden Wolkenkratzern thront das majestätische Tor des historischen Seishoji Tempels, wenige Minuten entfernt fahren drei U-Bahnlinien.

Das ist Wohn-Wahnsinn auf höchstem Niveau. In Tokio sind in wenigen Jahren viele solcher Mega-Luxus-Projekte entstanden, die heute die Skyline bestimmen und als „vertikale Städte“ alles bieten, was sich anspruchsvolle Menschen wünschen. Wie zum Beispiel „Tokyo Midtown“, ein Gebäudekomplex mit 248 Meter Höhe und 54 Etagen, sowie „Roppongi Hills“ mit Gärten auf den Dächern und Edelklubs.

In diesen Objekten logiert, wer seine Wohnung als Statussymbol sieht. Diese Spezies wird vom Volk „Hills Tribe“, also „Bergstamm“ genannt. Schwindelerregend sind auch die Kosten. Im „Atago Forest“-Tower zahlen die Mieter für 90 Quadratmeter umgerechnet 6275 Euro monatlich. Und das ist nicht einmal der Gipfel. Im Yuppie-Stadtteil Omotesando verlangen Makler für 80 Quadratmeter 8200 Euro monatlich – ohne Panoramablick, dafür mit Reinigung und Wäscheservice.


Höchstpreis oder Vorstadt. Obwohl die Grundstückspreise seit dem Platzen der Immobilienblase Ende der 1980er-Jahre um 70Prozent eingebrochen sind, erzielt Nippons Hauptstadt noch immer die weltweit höchsten Mietpreise. 3410 Euro kostet im Schnitt eine Dreizimmerwohnung mit 80 Quadratmetern in guter Lage. Wer sich das nicht leisten kann, muss in die endlosen Vorstädte ziehen oder sich einschränken. Junge Japaner bleiben oft bei ihren Eltern wohnen.

Daher entstehen in weniger attraktiven Bezirken gigantische Wohntürme mit ebenfalls 40 bis 50Etagen. Mit 50-Quadratmeter-Apartments pflegt die Metropole ihr Image, trotz allem Pomp die Hauptstadt der Kleinstwohnungen zu sein. Aber Wahnsinn lebt auch dort. Mag die Behausung noch relativ erschwinglich sein, ein Tiefgaragenplatz kann 500 Euro im Monat kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2012)

Mehr erfahren

Wohnen

Erster Bezirk, erste Adresse: Der Innenstadthype geht weiter

Die Innere Stadt ist ein teures Pflaster – mit preislichem Steigerungspotenzial. Experten prognostizieren Quadratmeterpreise von bis zu 40.000 Euro. Käufer aus dem Osten machen Spitzenwerte möglich.
New Articles

Die teuerste Adresse an der Themse

Der Handel mit Luxusimmobilien in London boomt. Italiener, Griechen oder Russen legen ihre Millionen in den Nobelbezirken an.
Wohnen

Nobel-Penthouse fürs Töchterchen

In New York bieten Russen, Chinesen und Brasilianer eifrig auf dem Immobilienmarkt mit und treiben so die Preise kräftig in die Höhe.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.