Über die Bedeutung handwerklicher Perfektion am Musiktheater

Erinnerungen an zwei jüngst verstorbene vortreffliche Könner des Opern- und Operettengeschäfts: Margareta Sjöstedt und Herbert Mogg.

Die heftig umjubelte Aufführungsserie des „Parsifal“, die derzeit an der Wiener Staatsoper läuft, beweist – wie die allesamt bemerkenswerten Repertoire-Aufführungen des Hauses in den vergangenen Wochen –, dass Wohl und Wehe eines Opernabends selbstverständlich zuallererst einmal davon abhängen, wer am Dirigentenpult steht.

Dass es aber genauso wichtig ist, dass das Besetzungsbüro seine Arbeit gut gemacht hat. Nicht nur falsches „Casting“ der Hauptpartien, auch Nebenrollen könnten einem Erfolg den Garaus machen, selbst wenn die Philharmoniker unter Dirigenten, die sie lieben – Christian Thielemann gilt gewiss die allerherzlichste Leidenschaft der Musiker –, herrlich aufspielen.

Dass „Parsifal“ so atemberaubend gelang, dass zuvor so unterschiedliche Stücke wie „Die Frau ohne Schatten“, „Cardillac“ oder „Tannhäuser“ auf begeisterndem Niveau gelangen, hat auch mit in sich bis in die kleinste Rolle stimmigen Sängerbesetzungen zu tun. Es ist nicht egal, wer das „Dritte Blumenmädchen in der zweiten Gruppe“ singt – und ob die Stimme mit den fünf anderen Solistinnen harmoniert.

Ebenso ist es ein Indiz für die Qualität eines Opernhauses, ob die drei Damen in der „Zauberflöte“ mit ersten Sängerinnen des Ensembles besetzt sind. Besagtes Blumenmädchen – und die „Zweite Dame“ – waren Partien, die Margareta Sjöstedt in der Staatsoper oft und oft gesungen hat. Eine Künstlerin, die so etwas wie der wandelnde Inbegriff der Wiener Ensemblekultur war.

Selbstverständlich war sie, zunächst in ihrer schwedischen Heimat, dann in Salzburg und Wien fertig ausgebildete Interpretin großer Partien, als sie Herbert von Karajan und Egon Seefehlner vorsang. Selbstverständlich wussten die beiden, als sie Margareta Sjöstedt 1956 engagierten, das zu schätzen und schickten sie bald in einer entscheidenden Rolle wie dem Cherubin auf die Bühne: Kaum eine Kollegin schaffte mehr Auftritte in dieser Partie. Fast 100 Mal war Sjöstedt der verliebte Page.

Aber sie war mit demselben Engagement eben Mercedes und Lola, Suzuki und Annina oder eben Zweite Dame. Die Erste dann an der Seite der Wiener Theaterlegende Heinrich Kraus, als dessen Frau sie bis zuletzt das Kulturleben ihrer zweiten Heimatstadt Wien liebevoll-kritisch beobachtete. Sie ist friedlich eingeschlafen.

Verabschieden müssen sich die Musikfreunde auch von Herbert Mogg (Jahrgang 1927), einem eminenten Könner des Kapellmeisterhandwerks, der nicht zuletzt dem Wiener Raimundtheater in der Zeit zwischen 1977 und den frühen Achtzigerjahren noch einmal ein eigenständiges Profil zu geben verstand und hernach am Münchner Gärtnerplatz bewies, dass Operette eine höchst lebendige Sache sein kann.

Wenn ein Mann wie er am Dirigentenpult stand, vielleicht vom Klavier aus, launig improvisierend, doch ohne je die Zügel aus der Hand zu geben, dann „funktionierte“ das angeblich nicht mehr zeitgemäße Genre Operette, schien höchst aktuell.

E-Mail: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2012)

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