Wien: Die Stadt als Abenteuerspielplatz

Stadt Abenteuerspielplatz
Stadt Abenteuerspielplatz(c) APA (J�GER Robert)
  • Drucken

Zehntausende Läufer am Ring, ein 150-Meter-Sprung vom Donauturm: Wien ist nicht nur Stadt, Wien wird von seinen Bewohnern tagtäglich auch zum Sportplatz umfunktioniert. Dies ermöglicht außergewöhnliche Blickwinkel.

Häuserschluchten statt Waldwege als Laufstrecke, glatte Fassaden statt zerklüfteter Felswände zum Klettern. Mauern, Parks, Hundezonen als Hürden in einem Großstadt-„Parkour“. Wien ist nicht nur Stadt, Wien wird von seinen Bewohnern tagtäglich auch zum Sportplatz umfunktioniert. Und liefert ihnen gleichzeitig Blickwinkel auf die Stadt, die man im Großstadtalltag sonst nur selten erlebt.

1. Marathon

Wie sehr der öffentliche Raum einer Großstadt zur überdimensionalen Sportfläche werden kann, wird an keinem anderen Tag so deutlich wie am heutigen Sonntag: Wenn mehr als 36.000 Teilnehmer des „Vienna City Marathon“ über den ausnahmsweise autofreien Praterstern laufen, den verkehrsfreien Ring okkupieren, die Wienzeile auf der Autospur entlanglaufen, dann sind das auch für Nichtteilnehmer außergewöhnliche Impressionen. Ganz zu schweigen von den Läufern selbst: Sich inmitten von zehntausenden Menschen über die sonst schwer befahrene Reichsbrücke zu bewegen, gehört vermutlich zu jenen Eindrücken einer Stadt, die man kaum vergisst.

2. Klettern am Flakturm

Natürlich könnte man bequem mit dem Lift im „Haus des Meeres“ auf die Dachterrasse fahren. Der (neidische) Ausblick auf die Mariahilfer Dachgärten wäre ein ähnlicher. So aber kämpft man sich langsam die glatte Wand des Flakturms entlang nach oben. Den Fortschritt beim Klettern erkannt man daran, dass man sich den Dächern der umliegenden Altbauten nähert. Dass sich anspruchsvolles Klettern (bis zum 9. Grad) und Großstadtleben wenige Meter neben der Mariahilfer Straße nicht ausschließen, dafür sorgt die Kletteranlage Flakturm des Alpenvereins. Heuer geht man in die 14. Saison. Anfangs kaum benützt, ist die Kletterwand heute oft überlaufen. Von Stadtbewohnern, die sich nicht ins Auto setzen wollen, um klettern zu können. Natürlich seien künstliche Routen eine „Geschmacksfrage“, sagt Christoph Jung, Leiter der Anlage. Eine Höhe von 34 Metern wie am Flakturm, „hat man in Kletterhallen aber so gut wie nie“.

3. Springen vom Donauturm

Die ganz große Zeit, als sich (fast) jeder Schwindelfreie von Brücken, Türmen oder Kränen stürzen wollte, mag vorbei sein: Das „Tower-Bungee“ vom Donauturm gibt es immer noch, und glaubt man den Veranstaltern, wollen immer mehr Wiener – und zu einem großen Teil (40 Prozent) auch Touristen – Donaupark und Uno-City, mit der Innenstadt im Hintergrund, einige Augenblicke lang betrachten, während sie kopfüber in die Tiefe stürzen, 152 Meter. Damit gehört das „Tower Bungee“ in Wien zu den „höchsten, die wir im deutschsprachigen Raum anbieten“, heißt es bei Veranstalter Jochen Schweizer. Von Mitte Juni bis Mitte Oktober steht dieser nicht ganz billige (149 Euro) Blickwinkel auf Wien offen.

4. Die Hauswand hinunter

Von der Kante des Dachs nach vorn kippen und dann die Hauswand vertikal abwärtsgehen. Wer sich beim „Houserunning“ nicht nur auf seine Schritte die Fassade hinab konzentrieren muss, kann beim Abstieg (großer Vorteil: Das Tempo bestimmt jeder selbst) auch eine zweifellos ungewöhnliche Sicht auf die Stadt einfangen. Favoritens Häuserlandschaft mag nicht die spektakulärste Kulisse sein, der einmalige Blickwinkel dürfte das aber wieder wettmachen: Houserunning, in deutschen Städten deutlich massentauglicher als hierzulande, wird ab 5. Mai vom Dach des Airo-Tower-Hotels in Oberlaa um 79 Euro angeboten.

5. Querstadtein

Eine Mauer, Sprung. Danach die Stiege zum Spielplatz hinunter, unter der Schaukel durchgetaucht, dann den Körper über die Absperrung der Hundezone gerollt. Parkour ist die Kunst, sich schnell und effizient durch den öffentlichen Raum zu bewegen – angesiedelt irgendwo zwischen Sport, Spiel und der Freude, Hindernisse zu überwinden. Ausgehend von den Pariser Vororten, wo David Belle Ende der 1980er die Bewegung im urbanen Raum zum Kult machte, hat die Kunst der Parkour-Jünger, der „Traceure“, im vergangenen Jahrzehnt auch Wien erreicht. Nach der Blüte zwischen 2006 und 2010, als Parkour in Filmen („Casino Royale“) und Werbung (ÖBB) präsent war, ist es um die Szene etwas ruhiger geworden, bestätigt Thomas Stoklasa, Webmaster der Community parkour-vienna.at. Zwischen 100 und 200 Traceure sind heute noch an einschlägigen „Spots“ wie dem Karlsplatz, der Donauinsel oder dem Andreaspark unterwegs. Der Vorteil: Es werden weder spezielle Ausrüstung noch eigene Trainingsplätze benötigt – es reichen Sportkleidung, Turnschuhe und gesundes Bewusstsein für die eigenen Grenzen.

6. Versteckte Schätze

In einer Nische hinter einem Holzflügel des Burgtors lagert ein Schatz – einer von mehr als 1500 „Geochaches“ in Wien. Seit die USA vor zwölf Jahren die Verzerrung der GPS-Signale deaktiviert und so die (fast) punktgenaue Ortung möglich gemacht haben, widmen sich Menschen einer spielerischen Schatzsuche: Jemand versteckt einen (effektiv wertlosen) „Cache“, stellt dessen GPS-Koordinaten online – und jeder andere kann sich mittels Ortungsgerät (etwa eines GPS-fähigen Smartphones) auf die Suche machen. Und lernt während der Schatzsuche die Umgebung aus ganz neuen Blickwinkeln kennen.


Kletteranlage Flakturm:
6., Esterhazypark, geöffnet ab Mo., 16. April. www.oeav-events.at/OEAV/kletteranlagen/flakturm

Houserunning (ab 5. Mai) vom Airo-Tower-Hotel in Wien-Oberlaa

Tower-Bungee (ab 15. Juni) vom Donauturm: Infos und Buchung: www.jochen-schweizer.at

Geocaching: Über 1500 Schätze sind in Wien versteckt – Liste z. B. www.geocaching.com, Austro-Forum z. B. forum.tafari.at

Parkour: Freies Bewegen im urbanen Raum – keine formelle Organisation, Forum z. B. auf www.parkour-vienna.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

LAUFSPORT - VCM 2012, Vorschau
Wien

Vienna City Marathon: Catch me if you can!

Wien hat Klimt, den Opernball - und diesen Sonntag zum 29. Mal den Vienna City Marathon. Mehr als 35.000 Läufer aus über 100 Nationen stehen in diesem Jahr am Start. Das ist Rekord.
WienMarathon Hello President
Mehr Sport

Wien-Marathon: "Hello Mr. President"

Haile Gebrselassie und Paula Radcliffe wurden von Heinz Fischer empfangen, auch John Kiprotich ist für den Wien-Marathon bereit. Als rot-weiß-rote Topläufer starten Roman Weger und Tanja Eberhart.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.