Jugend in der Partei: "Ja mei, wir waren früher auch so"

Die Junge Volkspartei bei ihrem Treffen im
Die Junge Volkspartei bei ihrem Treffen im "Wieden Bräu"
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DiePresse.com hat die Sozialistische Jugend und die Junge Volkspartei besucht, um herauszufinden, wie sie Politik betreiben, was sie bewegt und was sie am jeweils anderen aufregt.

Es gibt sie noch, die jungen Menschen, die das Interesse an der Politik nicht verloren haben. Einige haben den Weg in die Jugendorganisationen der Regierungsparteien gefunden. DiePresse.com hat sich zum politischen Nachwuchs begeben, und die Gruppen der Sozialistischen Jugend (SJ) und der Jungen Volkspartei (JVP) im Wiener Bezirk Wieden bei ihren Bezirkstreffen besucht.

Acta und die Vorratsdatenspeicherung im Netz, das sei, „als würde der Postmann alles aufmachen, was er ausliefert". Mit einem Vortrag zum Antipiraterieabkommen Acta regt der 21-jährige Dominik seine SJ-Kollegen zu einer Diskussion an. Schlimm sei die geheime Art der Ausarbeitung und dass Politiker den Pakt anscheinend unterschrieben haben, ohne ihn zu lesen, sagt Ruben (24), Vorsitzender Bezirksgruppe.

Einhellig lehnen die acht jungen Sozialisten zwischen 20 und 24 Jahren Acta ab, sehen darin das Ende der Meinungsfreiheit und eine Gefahr für den Datenschutz. Von der Mutterpartei SPÖ fühlt sich Dominik (21) in der Sache schlecht vertreten. „Faymann hat doch das Papier ohne Rück- und Nachfrage unterschrieben." Nach der Debatte steht Organisatorisches auf der Tagesordnung der wöchentlichen Zusammenkunft: Die Sozialisten einigen sich, wer demnächst die aktuelle Umfrage der SJ zur Lebenssituation Jugendlicher durchführt. Sie machen aus, wer Transparente für eine Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung vorbereitet und wen Terminkollisionen mit Uniprüfungen davon abhalten.

Aktivisten der Sozialitischen Jugend Wieden
Aktivisten der Sozialitischen Jugend Wieden

„Im Grunde ist Acta ein fader Vertrag"

Den Vorstand der JVP im vierten Bezirk begeistert das Thema Acta bei seinem Treffen im „Wieden Bräu" zunächst weniger. Im Grunde sei Acta ein fader Vertrag, bei dem Urheberrechte und das Recht auf Privatsphäre kollidieren. „Am Ende war der Kampf gegen Acta mehr ein symbolischer, das Arge ist mittlerweile schon draußen", sagt Wenzel Rosah (19). Die fünf Mitglieder aus dem Vorstand treffen sich in erster Linie, um Organisatorisches zu klären. Demnächst wird ein neuer Bezirksobmann gewählt, eine Wahlkommission muss dafür zusammengesetzt werden. Der Bezirk soll mit Enzi-Freiluftmöbeln (wie im Museumsquartier) ausgestattet und dadurch belebt werden. Ein Charity-Laufevent in Zusammenarbeit mit der Pfarre muss besprochen werden.

Ein anderes Netzthema bewegt die 19- bis 28-Jährigen mehr als das Antipiraterieabkommen: „Ärger als Acta finde ich die Vorratsdatenspeicherung". Bei der Frage nach den Themen, die jungen Menschen im Bezirk wichtig seien, ist der Nachwuchs der Regierungsparteien einig: Räume für die Freizeitgestaltung fehlen. Sorgen bereite den jungen Menschen vor allem die Wohnsituation, auch da herrscht Einigkeit. „Für Studenten aus nicht betuchten Familien ist Wohnen hier nicht leistbar", sagt Martin Borenich (28) von der JVP. Der vierte Bezirk habe nur wenige Gemeindebauten, das verschärfe die Wohnsituation, sagt die SJ.

Fünf Mitglieder des JVP-Wieden-Vorstands und ein Gast aus dem fünften Bezirk
Fünf Mitglieder des JVP-Wieden-Vorstands und ein Gast aus dem fünften Bezirk

Die SJ verbringt einen Gutteil ihrer politischen Arbeit mit Aufklärung über die FPÖ. „Die Freiheitlichen hussen auf und emotionalisieren", über eine Anlaufstelle für Suchtkranke (TaBeNo) etwa seien rationale Gespräche nicht möglich gewesen. Die Debatte um Migration polarisiere zwar, sei in Wieden aber weniger brisant, sagt Markus, 23, von der SJ. Das sieht auch die JVP so: Hin und wieder gebe es Beschwerden von Eltern wegen Gewalt im Park. Letztlich sei das aber eine soziale Angelegenheit.

Notorische Rebellen und Parteisoldaten?

In ihrer Meinung über einander geben sich sowohl die SJ als auch die JVP zunächst zurückhaltend. Die Junge Volkspartei denkt gar laut über eine gemeinsame Diskussionsrunde mit der Sektion 8 einer kritischen Fraktion innerhalb der SPÖ nach. Die seien aufgeschlossen, sagt Martin. Den SJ-Bezirksvorsitzenden hat der "Schwarz macht geil"-Wahlkampf der Wiener-JVP amüsiert. Ansonsten könne er zu ihr nicht viel Sagen. Rubens Kollegen finden klarere Worte: Sexistisch sei die Kampagne mit Kondomen, Frauen und großen Autos gewesen. Christian (22, SJ) findet die JVP „parteisoldatisch". Im Bezirk sei sie nicht wirklich präsent, noch eher sei der Ring Freiheitlicher Jugend (RFS) unterwegs. Immerhin habe die JVP aber 100.000 Mitglieder..."Ja", sagt Melanie, „aber wieviele AktivistInnen sind dabei? Am Land werden viele wegen der Feste und den Bällen Mitglied", würden damit ihre Karriere befördern wollen.

Die Obfrau der Jungen Volkspartei Wieden (Carolina Hungerländer, 24 Jahre)
Die Obfrau der Jungen Volkspartei Wieden (Carolina Hungerländer, 24 Jahre)

„Das ist ein Vorwurf?" Wegen der Feste und den Kontakten dabei zu sein, sei doch nicht verwerflich, sagt die JVP-Bezirks-Obfrau Carolina Hungerländer (24). Und Zielstrebigkeit bei der Karriere, „das ist gut". Für Hungerländer sei gerade das Bekenntnis der ÖVP zu Leistung und Eigenverantwortung ein Grund gewesen, um beizutreten. Auch in anderen Parteien würden Kontakte geknüpft. „Eigenartig, dass dieser Vorwurf gerade aus den Reihen der Wiener Proporzpartei kommt, sagt der 26-Jährige Fabian Andiel.

„Die SJ hat den Drang ständig kritisieren und provozieren zu müssen", sagt Wenzel. Sie verstünde sich als Klassenkämpfer und sei stärker ideologisch als praktisch und produktiv. „Diese rebellische Tradition haben wir nicht, wir beschreiten einen konstruktiven Weg und setzen viel Dinge um," sagt Hungerländer. Den Antrag Enzis im Bezirk zu platzieren, habe die Bezirksvertretung bereits angenommen. „Unser Vorteil ist, dass man uns an den Verhandlungstisch lässt". Mit Sebastian Kurz sitzt der Bundesobmann ohnehin in der Regierung. Und immerhin: Auch im Bezirksvorstand der Volkspartei stellt die JVP ein Drittel der Mitglieder, zwei ihrer Vertreter sitzen im Bezirksparlament - die SJ ist dort mit einer Person vertreten.

„Ja mei, wir waren früher auch so"

Die SJ sieht sich selbst in kritischer Distanz zu ihrer Mutterpartei. Nicht immer werde die Jugend in der SPÖ ernst genommen. Manche reagieren mit 'ja mei, wir waren früher auch so', andere in der Parteiführung hätten die SJ lieber als Ausbildungsstätte für die zukünftige Parteielite - „Laura Rudas und Niko Pelinka etwa", sagt Christian auf Nachfrage. „Die Parlamentsfraktion ist relativ weit weg von den Forderungen der SJ und hält sich im Nationalrat an den Klubzwang", sagt Dominik (21). Unterstützung komme vor allem aus dem Bezirk und der Wiener Landesregierung, so Christian.

Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wieden (Ruben, 24 Jahre)
Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wieden (Ruben, 24 Jahre)

Im Bezirk haben JVP und SJ direkten Kontakt zur Jugend. Die Junge Volkspartei sucht ihn „über Freundeskreise", „beim Fortgehen", „über private Netzwerke". Der Zugang zu den Leuten sei im „dörflichen Wieden" recht einfach. „Wenn man die Schleifmühlgasse entlang geht, lernt man die Leute einfach kennen", sagt Patrick. Die SJ findet, dass Junge oft nur schwer für theoretische Politik zu begeistern sind, aber über Dinge wie „Strache" komme man schnell ins Gespräch.

(Red.)

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