Argentinien verstaatlicht Ölriesen

(c) AP (Natacha Pisarenko)
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Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner will den Ölkonzern YPF teilweise verstaatlichen. Der spanische Eigentümer Repsol verlangt Entschädigung.

Buenos Aires. Eines war Cristina Fernández de Kirchner besonders wichtig: „Das ist keine Verstaatlichung!“, rief sie ihrem wie stets handverlesenen Publikum im Regierungspalast zu, live übertragen auf allen TV-Kanälen. Auch wenn sich der Staat per Gesetz 51Prozent an Argentiniens größter Erdölfirma YPF sichere, bleibe diese eine private Firma, erklärte die argentinische Präsidentin unter frenetischem Applaus. In Spanien, der Heimat des bisherigen Mehrheitseigners Repsol, zeigte man sich empört: „Das ist ein feindlicher Akt gegen Repsol und somit auch ein feindlicher Akt gegen Spanien“, entgegnete Spaniens Industrieminister, José Soria. Spanien berief am Dienstag nach Regierungsangaben den argentinischen Botschafter in Madrid ein.

Mit dem am Montag ins Parlament geschickten Gesetzesentwurf, der vorsieht, dass die argentinische Republik künftig 51Prozent der YPF-Aktien halten soll, beendete Cristina Kirchner ein monatelanges Hickhack um die einstige Staatsfirma. Sie war 1993 unter dem liberalen Präsidenten Carlos Menem privatisiert worden und ging 1999 mehrheitlich in den Besitz des spanischen Ölkonzerns Repsol über. Als im November die Entdeckung des riesigen Öl- und Gasfeldes Vaca Muerta in der Provinz Neuquén bekannt wurde, war Argentiniens Präsidentin noch voll des Lobes über Repsol.

Doch nur Monate später begann die Stänkerei. In der Rede, mit der sie am 1.März die Parlamentssaison eröffnete, warf Kirchner der Firma vor, den Großteil ihrer Erlöse ins Mutterland zu transferieren und viel zu wenig zu investieren. Mit dieser Begründung entzogen mehrere peronistische Provinzgouverneure dem Unternehmen die Lizenzen für immer mehr Fördergebiete. Seit Jahresanfang sanken die Kurse der in Buenos Aires und New York gehandelten YPF-Aktien um 40Prozent. Unmittelbar nach Kirchners Ansprache rasselten die Kurse in New York um weitere 19Prozent nach unten, ehe der Handel mit dem Papier ausgesetzt wurde. Am Dienstag fielen die Papiere in Madrid um knapp sechs Prozent.

Argentinien bekommt kein Geld

Auffällig ist, dass Kirchners Handstreich allein die spanische Firma betrifft, die zuvor 57,43Prozent an YPF hielt. Die anderen Aktionäre, wie der Kirchner-nahe argentinische Bankier Enrique Eskenazi – er hält etwa 25Prozent – und mehrere US-Aktienfonds dürfen ihre Anteile behalten. Deshalb verurteilten Repsol und die Regierung von Mariano Rajoy den Akt als „diskriminierend“. Die Zahlen unterstützen Kirchners Argumentation nicht: 33,74Prozent aller Investitionen, die Repsol im Vorjahr tätigte, betrafen YPF, konterte die spanische Firma, in keinen anderen Sektor des Unternehmens sei mehr geflossen.

Mit der Teilverstaatlichung will Kirchner dem Land teure Energieimporte ersparen. 2011 musste Argentinien erstmals seit 20 Jahren wieder Energie importieren, für heuer rechnen Experten mit Einfuhren im Wert von etwa zehn Mrd. Dollar (7,6 Mrd. Euro). In einem Land, das in den vergangenen Jahren einige Großvorkommen entdeckte. Die Energieimporte lasten schwer auf der Handelsbilanz, die Kirchner unbedingt positiv halten muss: Denn das Land bekommt seit dem Staatsbankrott 2002 auf den Finanzmärkten keine Kredite mehr.

Deshalb kontrollieren Kirchners Finanzbehörden seit November auch die Dollarkäufe von Bürgern und Firmen. Und seit Februar werden 20 bis 25Prozent aller bestellten Einfuhren nicht ins Land gelassen. Ohne den Griff nach YPF hätte Frau Kirchner ihren Landsleuten massive Aufschläge auf die Strom- und Gasrechnungen zumuten müssen.

Zehn Euro monatlich für Strom

Während nämlich die Preise in Argentinien jedes Jahr um etwa 20 Prozent stiegen, blieben die Energiepreise festgeschrieben – auch jene für die Produzenten. So bekommen Erdölfirmen etwa 40 Dollar für ein Barrel in Argentinien gefördertes Rohöl, während der Weltmarktpreis jenseits der 100 Dollar liegt. Mit den lächerlich niedrigen Energiepreisen – die Stromrechnung für ein 130-Quadratmeter-Haus in Buenos Aires beträgt etwa zehn Euro im Monat – bewirkten die Kirchners, dass es Bürger und Firmen richtig krachen ließen. Der Energiekonsum stieg im vergangenen Jahrzehnt um über 30Prozent. Unter diesen Bedingungen war es schon bisher nicht leicht, Privatfirmen zu finden, die in Argentinien investieren wollen.

Repsol verlangt acht Mrd. Euro Entschädigung und hat angekündigt, vor das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington zu ziehen. Etwa 30Prozent aller dort anhängigen Prozesse betreffen bereits Argentinien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2012)

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