Der gläserne Fluggast wird Realität

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Nach der Zustimmung des Parlaments der Europäischen Union dürfen die Vereinigten Staaten von Amerika weiter 19 Daten von Flugpassagieren, die aus Europa in die USA einreisen, 15 Jahre lang speichern.

Strassburg/Apa/Wb. Die USA feiern es als Durchbruch, europäische Datenschützer als großen Einschnitt. Das Fluggastdatenabkommen zwischen der EU und den USA hat am Donnerstag im Europaparlament seine letzte große Hürde genommen. Nach einer nur noch formellen Absegnung durch die EU-Justizminister wird es Ende des Monats Realität. Das Abkommen legalisiert die bereits in der Praxis durchgeführte Übermittlung von insgesamt 19 Daten über jeden europäischen Flugpassagier, der in die USA einreisen möchte, an das amerikanische Heimatschutzministerium.

409 EU-Abgeordnete stimmten für, 226 gegen das Abkommen, das eine vorläufige Vereinbarung aus dem Jahr 2007 ersetzt. Die größte christdemokratische EVP-Fraktion sowie weitere konservative Abgeordnete setzten sich für das Abkommen ein, Teile der Sozialdemokraten, die Liberalen, Grünen und Linken lehnten es ab. Die zuständige Parlamentsberichterstatterin, die niederländische Liberale Sophia in't Veld, hatte eine Ablehnung empfohlen, sich aber nicht durchsetzen können. Die Befürworter argumentierten, ein einheitliches Abkommen der Europäer wäre besser als bilaterale Vereinbarungen der USA mit einzelnen Ländern. Außerdem bringe das Abkommen auch Sicherheiten für die betroffenen Personen und die Möglichkeit einer Korrektur und Einsichtnahme in die Daten.

Problematisch ist, dass auch Daten erfasst werden, die auf den religiösen Hintergrund eines Reisenden schließen lassen, wie etwa das gewählte Essen an Bord. Laut dem Abkommen dürfen solche Daten nur in Einzelfällen geprüft werden. Es dürfen also keine Profile zur Rasterfahndung erstellt werden, außerdem müssen diese Daten bereits nach 30 Tagen gelöscht werden. Neben solchen sensiblen Daten werden die restlichen Daten nach sechs Monaten „depersonalisiert“, das heißt, sie werden von den Unterlagen über Namen, Adresse etc. getrennt. Unklar bleibt aber, wie sämtliche Löschungen über einen erlaubten Speicherungszeitraum von insgesamt 15 Jahren überhaupt überprüft werden können.

Der grüne Abgeordnete Jan Philipp Albrecht spricht von einem weiteren „Schritt in den Überwachungsstaat“. Das EU-Parlament habe die Chance nicht genutzt, „die langjährige und anlasslose Rasterfahndung und Vorratsdatenspeicherung aller US-Reisenden zu stoppen“. Der US-Botschafter in Brüssel, William E- Kennard, zeigte sich hingegen erleichtert. Die Fluggastdaten hätten in der Vergangenheit bereits mehrfach wichtige Hinweise auf Terroristen geliefert.

Insgesamt müssen bei jedem Flug 19 Datensätze aus dem Passagiernamensregister (PNR) weitergegeben werden. Es sind dies der Buchungscode, das Datum der Buchung bzw. der Ausstellung des Flugscheins, das Datum bzw. Daten des geplanten Flugs, der Name, verfügbare Vielflieger- und Bonus-Daten, andere Namen in dem PNR-Datensatz, sämtliche verfügbaren Kontaktinformationen, sämtliche verfügbaren Zahlungs- und Abrechnungsinformationen, die Reiseroute, das Reisebüro, Code-Sharing-Informationen, Informationen über Buchungsteilung, der Reisestatus des Fluggastes, Flugscheininformationen, sämtliche Informationen zum Gepäck, die Sitzplatznummer, allgemeine Eintragungen, die erweiterte Datenerhebung von Flugzeugpassagieren (Advanced Passenger Information System, APIS) und die Historie aller Änderungen.

Entschädigung bei Flughafenstreiks

Zumindest eine positive Nachricht für Flugpassagiere gab es am Donnerstag auch: Künftig müssen Flugreisende auch wegen erheblicher Verspätungen durch Streiks auf Flughäfen entschädigt werden. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Airlines bis zu 600 Euro an Betroffene zahlen. Die Fluglinien können dafür im Anschluss die Streikverantwortlichen haftbar machen.

Auf einen Blick

Fluggastdatenabkommen. Die Übermittlung von Daten über Flugreisende an das US-Heimatschutzministerium wird auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Das EU-Parlament hat dem Abkommen mit den USA zugestimmt. Künftig können die Daten in den USA 15 Jahre lang gespeichert werden. Sensible Daten, wie Hinweise auf die Religionszugehörigkeit, müssen nach 30 Tagen gelöscht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2012)

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