„Integration? Realitätsverweigerung!“

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NGOs und Medien als Bremsklötze einer sinnvollen Integrationsdebatte Der Integrationsexperte Alexander Janda schießt scharf auf die österreichische Integrationspolitik.

Wien. Ja, es gibt Parallelgesellschaften in Österreich. Und das nicht nur aus ethnischer Sicht – in Sachen Integration gibt es Parallelgesellschaften der Realitätsverweigerer. Das ist die zentrale These, die Alexander Janda in seinem Buch „Abschied von der Parallelgesellschaft“ gleich zu Beginn formuliert. Dabei zielt der Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) in mehrere Richtungen – wobei der Fokus auf der Aufnahmegesellschaft liegt, wie schon der Untertitel nahelegt: „Wie sich Österreich bei der Integration selbst im Weg steht“.

Zehn Jahre sind vergangen, seit Janda seinen Posten als Generalsekretär des ÖIF angetreten ist. Eine Zeit, in der sich viel Frust aufgestaut hat. Und in der er zum Befund gelangt ist, dass die Integrationsdebatte in Österreich noch immer nicht sinnvoll ins Laufen gekommen ist. Zuerst wurde gar nicht darüber geredet: Die Gastarbeiter der 1960er- und 1970er-Jahre wurden nur als billige Arbeitskräfte gesehen, die ohnehin bald wieder weg sind. In den 1990er-Jahren baute sich rund um die Ausländerwahlkämpfe von Jörg Haiders FPÖ ein negatives Bild von Zuwanderern auf, das jedes Pflänzchen einer nüchternen Debatte in den Hintergrund drängte. Und erst in den letzten Jahren sieht Janda so etwas wie den sukzessiven Beginn einer Auseinandersetzung mit dem Thema.

„Kein Interesse an Lösungen“

Allein, die Akteure der Debatte tragen wieder einiges dazu bei, dass tatsächliche Probleme nicht angegangen werden, so Jandas Befund. Da stehe auf der einen Seite etwa die FPÖ, „die nur an Problemen und nicht an Lösungen interessiert ist“. Und auf der anderen Seite die Grünen, die zwar lösungsorientiert arbeiteten, jedoch „kein Interesse an einer Problemdiagnose im Integrationsbereich“ haben. Beide Zugänge stehen laut Janda symptomatisch für Realitätsverweigerung.

Die Freiheitlichen negieren, dass Zuwanderung nötig ist, die Grünen, dass es Probleme gibt. Doch auch SPÖ und ÖVP kommen in Jandas Diagnose nicht gut weg. Bei beiden stünden wahltaktische Motive im Vordergrund, wenn es um Integrationspolitik geht.

Doch nicht nur die politischen Akteure nimmt Janda ins Kreuzfeuer. Auch die NGOs sieht er als Mitverantwortliche dafür, dass die Integrationsdebatte nicht nüchtern und sinnvoll geführt wird. „Diese Organisationen haben eine institutionelle Eigenlogik“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Auf der einen Seite stehe der humanitäre Zugang, allen Bedürftigen zu helfen. Auf der anderen Seite sind genau diese NGOs aber auch Dienstleister für den Auftraggeber Staat, der das Regelsystem vorgegeben hat – „und genau diese Regeln werden durch das humanitäre Verständnis unterlaufen“.

NGOs sind Teil des Problems

Konkret wirft Janda den NGOs vor, dass sie zwar – zu Recht – die lange Dauer von Asylverfahren kritisieren. Dass sie dann aber genau diese Verfahren in die Länge ziehen, indem sie gegen negative Bescheide von Klienten berufen, die offenkundig nicht aus Schutzgründen nach Österreich gekommen sind. Genau dadurch tragen sie dazu bei, die Grenzen zwischen Zuwanderung und Asyl zu verwischen. Die Medien sieht Janda dabei als Erfüllungsgehilfen – indem sie durch Simplifizierung und Emotionalisierung großzügig über die Sachlage hinwegsehen, etwa beim Fall von Arigona Zogaj, die zur „Märtyrerin einer vermeintlich falschen Integrationspolitik“ gemacht worden sei.

Jandas Buch ist ein streitbarer Aufruf, die Integrationsdebatte endlich sinnvoll anzugehen. Streitbar vor allem, weil er bei der Suche nach Problemen nicht mit dem Finger auf die Zuwanderer zeigt – sondern zunächst einmal auf die Aufnahmegesellschaft, die das Thema Migration lange ignoriert hat. Und die noch heute nicht genau weiß, was sie eigentlich will.

Und streitbar, weil Janda Dinge anspricht, die ein Großteil der Österreicher wohl nicht so gern hören möchte. Dass man sich etwa im globalen Migrationswettbewerb aktiv um Zuwanderer bemühen muss. Und auch, dass Integration ein langsamer Prozess ist: „Experten sprechen von einem Jahr bis zu zwei Generationen, bis Integration erfolgt ist“, sagt er. „Und ich tendiere eher zu der Ansicht mit den zwei Generationen.“

Zur Person

Alexander Janda (geb. 1968) studierte Politikwissen-schaften in Wien und Los Angeles. Seit 2002 ist der Wiener Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds. Zum zehnjährigen Jubiläum zieht er in einem Buch Zwischenbilanz. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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