Umweltverschmutzung: Recycling in der Antike

Umweltverschmutzung Recycling Antike
Umweltverschmutzung Recycling Antike(c) AP (Thanassis Stavrakis)
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Die Ursachen von Umweltverschmutzung beschäftigte die Menschen schon in der Antike. Metalle und Glas wurden gesammelt, eingeschmolzen und umgearbeitet. Es gab Ökodebatten und genaue Verkehrsregelungen.

Als die Tochter von Sabine Ladstätter im Kindergarten erzählte, die Mutter wäre auf einer Insel, auf der Krokodile sind, und gräbt dort nach einem Schatz, wurde ihr wenig Glauben geschenkt. Wenn es in der Familie Probleme gebe und die Mutter nicht bei ihnen lebte, erklärte die Kindergärtnerin dem Vater, dürfe man dem Kind keine Lügen erzählen. Dieser antwortete darauf: Die Mutter ist auf einer Insel in Ägypten, auf der es einige Krokodile gibt, und gräbt dort nach archäologischen Schätzen.

Besagte Insel ist Elephantine in Oberägypten, Sabine Ladstätter ist die Leiterin des Österreichischen Archäologischen Instituts und aktuelle „Wissenschaftlerin des Jahres“.

„Ägypten ist für uns Archäologen sehr interessant, da man frühe Formen von Migration und Akkulturation bzw. Kulturanpassung erforschen kann“, erklärt sie. Denn als die Griechen (mit Alexander dem Großen, 332 v. Chr.) nach Ägypten kamen bzw. als sich später das Römische Reich dorthin ausbreitete, gab es schon eine hochentwickelte Kultur in Ägypten. „Hier gilt also nicht das kulturimperialistische Bild, wie es das Römische Reich in unentwickelten Gegenden hinterließ. Sondern es stellt sich die Frage: Was behalten die Leute von der lokalen Identität, was nehmen sie vom Neuen auf?“

So konnte man zeigen, dass sich die Kochsitten im alten Ägypten unter Griechen und Römern änderten. Auch die Weinproduktion wurde erstmals von griechischen Bauern eingeführt: Später war der ägyptische Wein so gut, dass er in den Mittelmeerraum exportiert wurde. „Man findet erste Produktionen von Amphoren erst mit der Ansiedlung von Griechen“, so Ladstätter.

In einem aktuellen FWF-Projekt untersucht sie mit ihrem Team antike Wohnbauten und Hausinventare auf Elephantine und in der Region von Syene, dem heutigen Assuan: „Hier ist spannend, wie die Tradition der ursprünglichen Kultur und die Ansprüche der Griechen und Römer zusammenkommen. Einerseits müssen sich die Römer an das örtliche Klima und die vorhandenen Ressourcen anpassen – Baumaterialien waren in Ägypten eben Lehmziegel. Andererseits brauchten die Zuwanderer, um sich wohlzufühlen, Bäder in den Häusern. So findet man typische mediterrane Badewannen erst ab dem 3. Jahrhundert v. Chr.“, erklärt Ladstätter.

Apropos vorhandene Ressourcen: „Die Antike war eine starke Recyclinggesellschaft.“ Metalle und Glas wurden gesammelt, eingeschmolzen und umgearbeitet. Altmetallsammler gingen durch die Straßen, um Verwertbares zu suchen. Daher finden Archäologen in antiken Haushalten kaum Metalle oder Gläser. „Alles, was man zu Geld machen konnte, wurde nicht liegen gelassen“, sagt Ladstätter: „Wie wertvoll Metalle sind, merkt man auch heute, wenn Kupferdiebe die U-Bahn lahmlegen.“

In antiken Schmiedewerkstätten findet man oft Zehen und halbe Köpfe von Skulpturen, der Rest wurde zu Neuem verarbeitet. „Vor allem in der Spätantike gibt es Hortfunde, wo Altmaterial gesammelt wurde.“ Münzen, Schmuck und auch Geräte finden sich dort, fast wie auf heutigen Problemstoffsammelstellen.

Obwohl es für Archäologen „nichts Schöneres gibt als Müllhalden“, verkompliziert das Recycling doch die Altersbestimmung der Materialien, da über Jahrhunderte „Zutaten“ vermischt wurden. Das einzige unverrottbare und nicht recyclebare Material war Keramik. Die Entsorgung führte schon in antiken Städten zu Müllproblemen. „In Ephesos haben wir eine richtige Müllhalde gefunden: Man brachte nach größeren Zerstörungen die Scherben aus der Stadt hinaus.“ Aber auch in großen Haushalten wusste man sich zu helfen: „Es wurde ein ganzer Raum im Haus voll gefüllt mit Keramikmüll und Hausschutt und dann zugemauert.“ Die Herkunftsbestimmung ist bei Keramik am leichtesten, petrografische und chemische Analysen zeigen, ob lokale Ressourcen verwendet wurden oder das Material importiert wurde.

Im alten Rom wurde übrigens auch angeprangert, dass man Luxusgüter aus der weiten Welt importiere, statt von dem zu leben, was die eigene Region biete. „Umweltaspekte spielten immer eine große Rolle“, sagt Ladstätter: „Vor allem bei philosophischen Überlegungen, wohin sich der Mensch bewegt und welche Werte er verkörpern soll.“ Der Aspekt der Dekadenz war Thema großer Debatten, ebenso wurde das ländliche, bäuerliche Leben idealisiert. „Das gibt es auch heute noch: Ich bin selbst in Kärnten im bäuerlichen Umfeld aufgewachsen und weiß, dass es nicht romantisch ist“, schmunzelt Ladstätter: „Aber Leute, die es nie erlebt haben, haben eine verklärte Sichtweise davon.“

Weitere Probleme antiker Großstädte waren neben Müllentsorgung auch Geruchs- und Lärmbelästigung. Der Geruchsbelästigung wurde durch gefinkelte Abwasser- und Kanalsysteme entgegengewirkt. Doch gegen Straßenlärm, der mit Karren, die Güter transportieren, sicher anders klang als heute, wusste man sich schwer zu helfen. „Ich habe in Wien schon an einer Fiakertrasse gewohnt, das kann wirklich laut sein“, so Ladstätter.

In Ephesos gab es regelrechten Massenverkehr zwischen der tiefer gelegenen Hafengegend und dem Zentrum in der Oberstadt. Die Archäologen haben herausgefunden, dass bestimmte Stadttore einen Durchgang für hineinfahrende Fuhrwerke hatten, einen anderen für herausfahrende und einen für Fußgänger. „Es gab damals nicht nur Einbahnregelungen, sondern auch Umfahrungsstraßen.“

Die Verbindung des Hafens von Ephesos zur Innenstadt wurde mit Marmorplatten zur Prunkstraße umgebaut, die später reine Fußgängerzone wurde. Der „Schwerverkehr“ – Gütertransporte und große Karren – rutschte am steilen Hang auf Marmor ab. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. wurde eine leichter befahrbare Umfahrung errichtet.

Wenn man die heutige Landkarte ansieht, fragt man sich: Ephesos – welcher Hafen? Die Stadt liegt etwa acht Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Doch damals verlief die Küste so, dass Ephesos, Hauptstadt der römischen Provinz Asia, direkt am Meer lag. „Aber die Region kämpfte schon damals mit der Versandung des Hafens: Wir haben Spuren von Schürfungen gefunden. Das heißt, dass man den Hafen ausbaggern ließ“, so Ladstätter.

Wie auch heute suchte man nach den Verursachern solcher Umweltveränderungen. Aus kaiserlichen Inschriften geht hervor, dass die Hafenverschmutzung den Herstellern von Marmorplatten angekreidet wurde: Der Marmorstaub durfte nicht mehr in den Hafen abgeleitet werden. „Doch erst heute verstehen wir die wirklichen Zusammenhänge.“ Denn schuld war wohl die massive Abholzung der Berghänge im Hinterland. Das zeigen Pollenanalysen aus Tiefbohrungen. Das alte Gerücht, dass die Römer für ihren Schiffbau große Waldgebiete abgeholzt haben, wird also durch neue Forschungen bestätigt. „Durch die stark veränderte Vegetation brachten die Flüsse aus dem Hinterland noch mehr Sandmaterial nach Ephesos. Doch die Leute, die als Fischer und Händler eng mit dem Meer verbunden lebten, wollten an der Küste bleiben und arbeiteten gegen die Küstenverschiebung an.“

Zum Projekt

Syene – die heutige Stadt Assuan – hat wegen ihrer Lage am ersten Nil-Katarakt große Bedeutung. Gegenüber der Stadt liegt im Nil die Insel Elephantine. Beide Orte wurden nach den alten Ägyptern auch von Griechen und Römern ausgebaut.

In einem FWF-Projekt
will das Österr. Archäologische Institut (ÖAI) nun gemeinsam mit dem Schweizer Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde die antike Wohnkultur untersuchen – etwa durch eine Rekon-struktion des Hausrates – und dadurch kulturelle Einflüsse offenlegen.

In Zahlen

117Jahre lang erforscht das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) die antike Metropole Ephesos in der Türkei.

200tausend Menschenlebten im 2. Jh. n. Chr. im Großraum von Ephesos, Hauptstadt der röm. Provinz Asia.

2 MioMenschen besuchen jährlich die Ausgrabungen in Ephesos. Museum, Grabungsstätte und das Institut sind der größte Arbeitgeber der Region.

2010übernahm Sabine Ladstätter die Leitung der Ausgrabungen von Ephesos, seit 2009 ist sie Direktorin des ÖAI, das Außenstellen in Kairo und Athen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2012)

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