Ex-General: „Die ägyptische Armee hat genug von der Politik“

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Der ehemalige ägyptische General Sameh Seif Elyazal geht davon aus, dass sich das Militär nach der Präsidentenwahl in die Kasernen zurückzieht. Und er sieht die Zustimmung für die Islamisten langsam schwinden.

Die Presse: Sie sind ein sehr guter Kenner der ägyptischen Streitkräfte. Was wird die Armee tun, nachdem Ägypten einen Präsidenten gewählt hat?

Sameh Seif Elyazal: Die Soldaten werden in die Kasernen zurückkehren: entweder gleich am 25.Mai, wenn es nach der ersten Runde der Präsidentenwahl einen klaren Sieger gibt. Oder sonst nach dem zweiten Wahldurchgang. Wenn der neue Präsident das Militär anfordert, um nach einem Vorfall die Sicherheit aufrechtzuerhalten, werden sie zurückkommen. Aber nur, um das jeweilige Problem zu regeln. Sie werden nicht mehr fix in den Straßen sein.

Wird die Armeeführung so einfach die Macht abgeben? Es wurde ja schon vergeblich versucht, dem Militär in der neuen Verfassung Sonderrechte zukommen zu lassen. Schwebt dem Militär eine Rolle vor, wie sie früher die türkische Armee hatte?

Nein, das wird nicht in Ägypten passieren. Die Streitkräfte werden in Zukunft weder direkt noch indirekt in Ägyptens politisches Leben involviert sein. Sie haben genug von Politik. Sie können die Menschen nicht zufriedenstellen.

Bei der Parlamentswahl waren die Muslimbrüder und die extrem konservativen Salafisten die großen Gewinner. Sind die Islamisten die führende Kraft eines künftigen Ägypten?

Sie verlieren gerade wieder an Einfluss. Die Menschen erwarteten, dass sie mit Lösungen für die wirtschaftlichen Probleme kommen, für das Problem Sicherheit und mit Ideen, wie sie das Leben der Armen verbessern können. Aber die Islamisten diskutieren im Parlament über spezielle religiöse Angelegenheiten, nicht über wirklich relevante Fragen. Bei neuen Wahlen würden sie nicht noch einmal so viele Stimmen bekommen.

Wenn Sie in Israel für strategische Fragen verantwortlich wären: Was hätte sich für Sie durch die arabischen Revolutionen geändert?

Es gibt einen Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel. Vergessen Sie einmal, was die Leute auf der Straße denken: In beiden Ländern will keiner der politischen Entscheidungsträger ein Ende des Vertrags. Auch die Moslembruderschaft akzeptiert zurzeit die Verträge mit Israel. Die Israelis wollen keine Probleme an der Grenze zu Ägypten. Sie haben schon die unruhige Grenze zum Libanon, sie haben eine heiße Grenze zu Gaza, sie haben eine Grenze zu Syrien, wo nicht vorhersehbar ist, wie es weitergeht.

Sollte Israel etwa bei einem neuen Krieg in Gaza von Ägypten verlangen, die Grenze abzuriegeln, wäre das nicht mehr durchsetzbar. Das würde zu massiven Protesten in Ägypten führen.

Wenn es um die nationale Sicherheit geht, muss man die Dinge ausbalancieren und darf nicht immer auf das hören, was die Straße sagt. Das heißt nicht, dass man gegen das arbeiten soll, was die Ägypter wollen. Man muss dann den eigenen Leuten sagen: Das sind unsere nationalen Interessen.

Zur Person

Sameh Seif Elyazal war General in den ägyptischen Streitkräften und verfügt nach wie vor über sehr gute Kontakte in der Armee. Der Vorsitzende des Al-Gomhouria-Centers für Sicherheitsstudien in Kairo war auf Einladung des Vereins „Information und Kultur Ägyptens“ in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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