Familienfremder Finanzchef

Martin Hiebl hat die Rolle von familienfremden »Chief Financial Officers« in Familienunternehmen untersucht und mit CFOs in Nichtfamilienunternehmen verglichen.

Der Großteil heimischer Unternehmen (weltweit 60 bis 90 Prozent) sind Familienunternehmen: Sie sind also das Rückgrat von florierenden Volkswirtschaften. In jüngerer Zeit wird fleißig an Familienunternehmen geforscht, doch fragte niemand, wie die Rolle eines kaufmännischen Geschäftsführers in so einem Unternehmen aussieht, wenn der- oder diejenige nicht aus der Familie stammt. Martin Hiebl, der selbst als Unternehmensberater tätig war, hat in seiner Dissertation (Uni Linz, Institut für Controlling und Consulting, Betreuerin Birgit Feldbauer-Durstmüller) analysiert, worauf es bei einem CFO (Chief Financial Officer) ankommt, wenn er in einem Unternehmen in Familienbesitz wie Böhringer Ingelheim, Oetker, Hartlauer etc. arbeitet – im Vergleich zur restlichen Marktwirtschaft. „Die Rolle des CFO wird sehr unterschiedlich gesehen – vom reinen Zahlenlieferanten bis zum wichtigen Strategen“, so Hiebl. In Interviews mit CFOs, CEOs und Eigentümern von Familien- und Nichtfamilienunternehmen fand er Unterschiede bezüglich der Rollenbilder, der Qualifikationen und im Verhalten der CFOs.

„In Familienunternehmen agieren CFOs meist weniger egoistisch, ihre Arbeit ist stärker auf den langfristigen Erfolg der Firma ausgelegt“, sagt Hiebl. Ihn überraschte, mit welcher Offenheit CFOs in Nichtfamilienunternehmen zugaben, dass sie hier auf den schnellen Erfolg aus waren und sich profilieren wollten. Doch in Familienunternehmen werden die familienfremden CFOs schon bei der Einstellung nach einem hohen „Person-Organization-Fit“ ausgewählt: Die persönlichen und sozialen Eigenschaften des Finanzchefs sollen zur Ausrichtung des Unternehmens passen. Vor allem dann, wenn die Familienmitglieder organisatorisch noch tonangebend im Unternehmen sind. „Hierarchisch sehr starke CFOs finden sich eher in Nichtfamilienunternehmen“, sagt Hiebl. Bei den Qualifikationen der CFOs fand er jedoch kaum Unterschiede zwischen Familien- und Nichtfamilienunternehmen. Außer: „Wenn die Familie auch die private Vermögensverwaltung im Unternehmen organisiert, muss der CFO hier entsprechende Kenntnisse mitbringen. Das passiert bei Nichtfamilienunternehmen wohl nicht.“ Die Ergebnisse sind auch in Buchform (bei epubli) erschienen, und Hiebl hat inzwischen an die Uni Linz gewechselt, wo er unter anderem Projektmanagement und -controlling lehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2012)

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