Spanien: Rasant in Richtung Euro-Rettungsschirm

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In Spanien spitzt sich die Finanzkrise dramatisch zu: Die Regierung hat Probleme, weiteres Geld auf dem Kapitalmarkt aufzutreiben, den spanischen Sozialversicherungen droht unterdessen, das Geld auszugehen.

Madrid/Wien/Red./Ag. In Spanien spitzt sich die Finanzkrise dramatisch zu: Das Land hat nach Angaben seines Finanzministers immer größere Probleme, auf dem Kapitalmarkt Geld aufzutreiben, die Finanzierungslücke bei den Großbanken nimmt abenteuerliche Ausmaße an, und die Sozialversicherung beginnt sich Sorgen um ihre Liquidität zu machen.

Beobachter erwarten, dass die Regierung in Madrid um Hilfen aus dem europäischen „Rettungsschirm“ wird ansuchen müssen. Die ziert sich aber noch und versucht, die Misere aus eigener Kraft zu lösen.

Während Finanzexperten der sieben wichtigsten Industrieländer (G7) gestern in einer Telefonkonferenz nach Auswegen aus der eskalierenden Eurokrise suchten, bekam die Entwicklung in Spanien selbst eine unangenehme Dynamik: Finanzminister Cristobal Montoro sagte in einem Interview mit dem Radiosender „Onda Cero“, die Finanzmärkte seien für Spanien bei den derzeitigen Zinsen „nicht mehr zugänglich“. Mit anderen Worten: Das Land hat ernste Probleme, seine Staatsschuld durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt zu refinanzieren.

Wie ernst diese Probleme tatsächlich sind, wird man wahrscheinlich schon morgen, Donnerstag, sehen: Da will Spanien zwei Milliarden Euro bei privaten Investoren aufnehmen.

Die Ankündigung des Finanzministers ließ den Euro jedenfalls blitzartig auf Tauchstation gehen. Auch die vorher im grünen Bereich stehenden wichtigsten Börsenindizes sackten unter die Nulllinie (erholten sich nach einer freundlichen Eröffnung der US-Börsen allerdings wieder ein wenig).

Montoros Eingeständnis von Refinanzierungsproblemen war aber nicht die einzige verstörende Meldung, die gestern aus Madrid kam: Sozialstaatssekretär Tomas Burgos sagte im Kongress, bei den Sozialversicherungen würden sich für die kommenden Monate ernste Liquiditätsprobleme aufbauen. Die Sozialversicherungen haben steigende Kosten wegen der extrem hohen Arbeitslosenrate zu tragen. Hier könnte zusätzlicher Finanzierungsbedarf entstehen.

Banken brauchen Milliarden

Das größte Problem des Landes ist aber die Kapitallücke, die sich bei den spanischen Großbanken auftut. Experten gehen von einem Finanzbedarf in dreistelliger Milliardenhöhe aus. Die deutsche Regierung rechnet mit einem Finanzbedarf von bis zu 90 Milliarden. Der Chef der größten spanischen Bank, Emilio Botín, sagte, „Europa“ müsse mindestens 40 Milliarden Euro in die vier größten Banken Spaniens einschießen. Derzeit besteht keine Möglichkeit, dass Banken direkt unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Es gibt aber bereits Diskussionen, dies zuzulassen.

Die spanischen Banken leiden unter einem hohen Volumen „notleidender“ Immobilienkredite. Von den rund 300 Milliarden Euro an vergebenen Immobilienkrediten gelten bereits rund 150 Milliarden als nicht oder schwer einbringlich. Bisher hatte die Regierung in Madrid stets betont, die Bankenprobleme allein lösen zu wollen, jetzt scheint ihr das Problem über den Kopf zu wachsen.

Deutsche Politiker haben Spanien gestern gedrängt, die Bankenrettung rasch einzuleiten und dafür unter den Euro-Rettungsschirm zu schlüpfen.

Spanien hat die Inanspruchnahme ausländischer Hilfe bisher kategorisch abgelehnt. In Berlin steigt aber nun die Sorge, dass die Regierung in Madrid zu spät reagiert, und damit die Rettungsmaßnahmen substanziell verteuert.

In dasselbe Horn stieß gestern auch das deutsche EZB-Ratsmitglied Jörg Asmussen. Der Euro-Notenbanker forderte Spanien und andere Euro-Krisenländer auf, ihre Finanzen schneller in Ordnung zu bringen. „Wenn Veränderungen unausweichlich sind, ist es besser, die Medizin gleich zu schlucken, als das Fieber über Monate steigen zu lassen“, sagte Asmussen.

IWF für Euro-Zinssenkung

Zusätzliche Probleme bei der Lösung der Eurokrise macht jetzt der starke Einbruch der Konjunktur. Wie berichtet überlegt die EZB deshalb eine Senkung der Leitzinsen unter ein Prozent. Aufmunterung dazu kam gestern vom Internationalen Währungsfonds. Dessen Chefin Christine Lagarde meinte, es gebe „weiteren Spielraum“ für eine EZB-Zinssenkung. Möglicherweise erfolgt die schon heute, Mittwoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2012)

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