Pop

Kritik Pop: Brooklyn, fieberfrei

Österreich-Debüts in der Arena: Yeah Yeah Yeahs, TV On The Radio, Dirty Pretty Things.

Eine Ziegelschlot-Silhouette gegen den Nachthimmel, Zigarettenglut gegen die Kälte und Graffiti gegen alles Mögliche. Die Erdberger Arena ist wohl das "Best Of Industrieruine", das Wien für die Yeah Yeah Yeahs aufbieten konnte. Jenes Artrock-Trio, das in den alten Manufakturen in Williamsburg, Brooklyn (N.Y.) groß geworden ist und deren Sängerin Karen O. für Kreisch-Variationen sowie exzessive Bühnengymnastik verehrt wird. Obwohl so wild war es bei der Österreich-Premiere im Rahmen des innerstädtischen "Full Hit Of The Summer"-Festivals dann doch nicht: Ja, Miss O. prustete Fontänen (Bier?), gab auf allen Vieren die fauchende Katze. Aber der Einfluss der reiferen, komplexeren zweiten Platte - die wunderbare "Show Your Bones" - machte sich doch bemerkbar. Und das leider nicht nur vorteilhaft: Denn einerseits gerieten gerade die schönsten, die subtilen Nummern ("Golden Lion", "Cheated Hearts") auf der Bühne zu grob oder verschwanden im undefinierten Soundteppich. Andererseits fehlte es der Show - gemessen an der Erwartungshaltung - an Energie. Kurz: Das "Fever To Tell" des Debüts ist auf Normaltemperatur gesunken. Sicher gesünder, aber ein wenig schade.

Ein bisschen schade war's denn auch um die Yeah-Yeah-Yeahs-Freunde und zweiten "Williamsburger" des Abends: TV On The Radio. Sie gelten als einige der wenigen, die tatsächlich etwas Neues machen - ein größeres Kompliment kennt die Branche nicht. Die zum Quintett gereifte Formation potenziert das Klischee des Schmelztiegels New York und fügt zusammen, was sich sonst niemand traut: Soul, Fast-Forward-Gospel, Rockabilly, Blues, Geräuschaufnahmen, afrikanische A-cappella-Elemente. Dazu politische, wenn auch nicht pathosfreie Texte. Eine dichte Mischung, die sich in Tunde Adebimpes Körper - er teilt sich den Gesang mit Kyp Malone - widerspiegelte: Der linke, mikrofreie Arm fuchtelte in Hiphop-Manier, der ganze Mann wippte im Rhythmus seiner "Ah"- und "Oh"-Rufe. Und blieb souverän, als es ihn auf den Hintern setzte. Aber was hilft das, wenn nicht einmal bei den Hits ("Wolf Like Me", "Staring At The Sun") der Funke vollständig übersprang? War die Anlage schuld, war es zu kalt, zu hell? Great Expectations, diesmal ratlos.

Vielleicht wüsste es Carl Bar¢t. Wenn sich jemand mit Erwartungen auskennt, dann der Londoner Ex-Libertin, der seit der Trennung von Skandalnudel Pete Doherty im öffentlichen Komparativ lebt und musiziert: Wer ist besser - Dohertys Babyshambles, die "Down in Albion" lyrisch vor die Hunde gehen lassen oder Bar¢ts Dirty Pretty Things, die wütend von "Waterloo to Anywhere" stapfen? Die Antwort muss lauten: Doherty - trotz allem! Dabei macht Bar¢t Rock, für den man sich nicht schämen muss: trocken, ausgeglichen, treibend und ab und zu sogar ("Bang Bang you're dead" oder "The Enemy") besonders. Ein Auftritt, wie ihn das Album versprochen hat. Was mehr ist, als man aktuell von seinem erratischen Ex-Kollegen erwarten darf.

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